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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues
Autoren: Annette Meyers
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raffte alle Handtücher zusammen und brachte sie Jake, der auf dem blutbespritzten Boden kniete.
    Er sah zu ihr auf, das Gesicht mit Blut verschmiert. Sie hörte fast nicht, was er sagte, so leise war seine Stimme. »Lady, Sie sind was Besonderes.«
    Seine Hände waren übel zugerichtet und bluteten stark. Fügsam wie ein Kind streckte er sie aus, und sie umwickelte sie, so gut sie konnte. Der maßgeschneiderte blaue Nadelstreifenanzug und das weiße Hemd waren zerfetzt. Das linke Revers war vom Jackett getrennt, und sein Hemd nahm verschiedene Töne zwischen Rosa und Rot an, während sie sich um ihn kümmerte. Die rote Seidenkrawatte war rot auf rot zwischen den Fetzen seines Anzugs.
    Jakes Gesicht war schmerzverzerrt. Sie beugte sich über ihn, um ihn zu berühren.
    »Wenn Sie mir zu nahe kommen«, sagte er schroff, »machen Sie sich auch schmutzig.« Er stand unbeholfen auf, taumelte und ließ sich auf Smith’ Stuhl fallen. Blut sickerte aus einem häßlichen Schnitt in seiner linken Wange.
    »Sie brauchen einen Arzt«, sagte sie.
    »Wir müssen uns erst darum kümmern«. Er deutete auf Robertas reglosen Körper. »Sie haben sie nicht getötet, leider Gottes, und die verrückte Hexe wird zu sich kommen und...«
    »Ich rufe die Polizei.« Sie war verblüfft. Jake fühlte sich für nichts, was geschehen war, verantwortlich, und doch war er, indem er Roberta gekauft hatte, für den Tod von wenigstens drei Menschen indirekt verantwortlich. Vier, wenn sie Sugar Joe mitzählte. War es wirklich möglich, daß Roberta ihr an jenem Tag von Mildreds Büro gefolgt war und sie dann auf der dunklen, stillen Straße überfallen hatte, als sie die Amsterdam Avenue überquerte? Sie schauderte bei dem Gedanken, daß Roberta sie beobachtet hatte, als sie sich mit Laura Lee, mit Amanda und mit Howie traf, daß sie sie beobachtet hatte, als sie bei Zabar’s anstand. So etwas tat kein normaler Mensch. Aber Roberta war nicht normal.
    »Dafür haben wir jetzt keine Zeit«, sagte Jake. »Ich bin nicht in der Verfassung, mich gegen sie zu wehren.« Roberta stöhnte. »Und Sie haben wohl nicht noch einen — was war das überhaupt?«
    »Ein Marmorpfirsich.« Wetzon starrte auf die Bruchstücke des Briefbeschwerers. Sie konnte nicht glauben, daß sie es getan hatte. Sie hatte sich und ihm das Leben gerettet.
    »Ein Marmorpfirsich«, wiederholte er. »Um Gottes willen. Gibt es hier eine Tür, die sich von außen abschließen läßt!« Er übernahm schon wieder seine alte Kommandorolle.
    »Ja. Die Vorratskammer. Dort.«
    »Gut. Ich helfe, aber Sie müssen das meiste allein tun.« Er gestikulierte mit seinen ungeschickt bandagierten Händen. Das Blut drang schon durch die Handtücher und färbte sie rosa, dann rot. Wetzon sah weg. Das Büro war ein einziges Schlachtfeld. Smith würde wütend werden. »Na, was ist?« knurrte Jake. »Nehmen Sie ihr das verdammte Messer weg.«
    Sie zog ein paar Kleenextücher aus der Schachtel auf dem Schreibtisch und hob das blutige Messer am Griff auf. Sie legte es angeekelt auf ihren Tisch.
    Sie beugte sich über Robertas Körper. Es stank im Zimmer, und sie begann zu würgen. Sie berührte zaghaft Robertas Knöchel. Lederstiefel, sehr teure, hochhackige schwarze Lederstiefel, blutige Lederstiefel... rote Lederstiefel... Sie unterdrückte ein nervöses Kichern.
    »Worauf warten Sie?« fragte Jake herrisch. »Ziehen Sie.«
    Sie zog, und Jake schob, bis Roberta in der Vorratskammer wie ein Sack voll alter Kleider abgestützt war. Jake trat die Tür mit dem Fuß zu, und Wetzon schloß sie ab.
    Sie nickten sich zu wie zwei Verschwörer. Blut tropfte ihm aus einem Schnitt auf der Stirn in die Augen. »Verdammt, ich glaube, ich werde ohnmächtig«, sagte er und machte eine Grimasse. Er lehnte sich schwer atmend auf Smith’ Stuhl zurück.
    Wetzon wusch sich die Hände und schrak vor der Farbe des Wassers im Waschbecken zurück. Dann hielt sie ein Handtuch unter das kalte Wasser, ging damit zu Jake und tupfte ihm behutsam etwas Blut vom Gesicht.
    Jake schlug die Augen auf. »Ich liebe dich, Leslie Wetzon«, sagte er. Die Augen fielen wieder zu.
    Sie atmete tief durch und wählte 911.
    »Mein Name ist Leslie Wetzon. Ich bin im Haus Nummer 69 A East 49. Street. Bitte schicken Sie sofort einen Krankenwagen. Ich habe hier einen Schwerverletzten. Ja. Ich habe auch eine Mörderin in der Kammer eingeschlossen.« Sie machte eine Pause. »Ich weiß, bitte, glauben Sie mir, und benachrichtigen Sie bitte sofort Sergeant
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