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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues
Autoren: Annette Meyers
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von uns, und sie haben es einfach vergessen .«
    »Dayne ist nicht für Großzügigkeit bekannt.«
    »Weiß ich, weiß ich... Die sind durch und durch geizig.«
    Wetzon konnte Campbells Unzufriedenheit fast durch die Telefonleitung spüren. Gut. Sie hatte ihn schon halb in der Tasche. »Die Firmen nehmen die Makler, die als Berufsanfänger zu ihnen kommen, als selbstverständlich hin«, meinte sie mitfühlend. »Aber dann holen sie Leute von anderen Firmen herein, die weniger bringen als Sie, und machen denen im voraus große Versprechungen, ein Büro, eine Verkaufsassistentin. Haben Sie zum Beispiel Ihre eigene Assistentin?« Bleib jetzt dran, dachte sie.
    »Noch nicht, aber man hat mir versprochen... Ich soll eine bekommen... Ich habe genaugenommen jemanden gehabt... Wir haben da was laufen...«
    »Ach, Sie leben gern riskant.«
    »Klar, warum nicht — was liegt mir daran, ob ich in der Firma weiterkomme? Ich baue mir selbst ein Geschäft auf... Ja, wir sehen uns manchmal an, und sie zwinkert mir verschmitzt zu, und dann verdrücken wir uns eine Weile. Wirklich eine tolle Sache... Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das erzähle... Ich kenne Sie nicht... Na ja, eigentlich kenne ich Sie doch, oder? Wir haben uns nur noch nie getroffen.«
    »Aber das sollten wir auf jeden Fall. Falls ich Sie einmal zu einer vernünftigen Zeit aus dem Büro herausholen kann, lade ich Sie zu einem Drink ein.«
    »Ich habe einen Termin, durch den ich nächste Woche mal früher aus dem Büro kann...«
    »Okay, wann soll ich Sie anrufen, damit wir es festmachen?«
    »Rufen Sie Montag an.«
    »Prima. Wir sprechen uns am Montag.«
    »Machen Sie’s gut, Wetzon, ja?«
    »Wiederhören.« Sie legte lächelnd den Hörer auf und machte eine Notiz in ihrem Kalender. Sobald sie sich persönlich kennengelernt hatten, war die Beziehung hergestellt. Dann standen die Chancen gut, daß Campbell sich von ihr vertreten ließe, falls er die Stelle wechseln wollte.
    Sie hielt das Gespräch auf einem Fahndungsbogen fest. Irgendwann würden sie alles in den Computer eingeben. Bis dahin arbeiteten sie und Xenia Smith mit A4-Karteikarten, die in der Branche »Fahndungsbogen« genannt wurden.
    Was sie und Smith taten, war geheimnisvoll, im besten Sinn des Wortes, und deshalb war es wunderschön. Sie verstanden sich als Detektive auf der Suche nach den besten Kandidaten für die Posten, die ihre Kunden zu besetzen hatten. Wall Street bezeichnete sie und ihresgleichen als Headhunter, Kopfjäger, aber es störte sie nicht. Abseits der Wall Street warben Abwerber Fachleute ab, und Headhunter war dort ein abfälliges Wort. Aber in der Wall Street bewunderte man Ellbogengebrauch und Piraterie. Jeder, der »ungestraft davonkam«, wurde respektiert.
    Und die Kunden waren keine gewöhnlichen Geschäftsleute, sie waren die treibenden Kräfte und die Drahtzieher der allmächtigen Finanzgemeinde. Wall Street. The Street.
    Smith und Wetzon waren zwar nicht direkt Insider, aber das Gegenteil waren sie auch nicht. Daher waren sie in der idealen Lage, jedes Problem objektiv zu sehen und dem Kunden einen Überblick zu verschaffen.
    Sie waren ein seltsames Paar. Smith war aus dem Personalbereich gekommen und Wetzon aus dem Showbusineß. Daß ihre Namen zusammen auf einprägsame Weise an die Büchsenmacher erinnerten, fanden sie nur lustig, aber sie nutzten es aus, um ihre Einmaligkeit zu betonen. Sie waren Frauen in einer Männerwelt.
    Sie arbeiteten von einem kleinen Büro aus, das vorher eine Einzimmerwohnung in einem umgebauten Stadthaus gewesen war, ganz nah an der Ecke Second Avenue und 49. Street. Es lag zu ebener Erde mit einem hübschen Garten vor den Türen, in dem gerade die Forsythien aufblühten. Ein Weg aus roten Ziegelsteinen faßte Beete mit Tulpen, Narzissen und Iris ein.
    »Bringen Sie die Sachen hier nach hinten«, rief eine Stimme. Die Tür ging auf, und Smith erschien, eine große, breitschultrige Frau in den Dreißigern, hinter ihr zwei Ausfahrer in Overalls, die gußeiserne Gartenstühle schleppten, weiß und viktorianisch mit floralen Motiven. Sie stellten sie auf den Ziegelsteinboden der Terrasse, die etwa eineinhalb Meter breit an der Rückseite des Hauses entlanglief, und überließen es Smith, den richtigen Standort für die Stühle auszuprobieren. Kurz darauf kamen sie mit einem runden Tisch und zwei weiteren Stühlen wieder. Smith griff in ihre Jackentasche und gab jedem der erwartungsvoll dastehenden Männer fünf Dollar. Dann überblickte sie, die
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