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Wahn

Wahn

Titel: Wahn
Autoren: Christof Kessler
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zwei andere Termine und erwartete voller Neugierde die Fortsetzung der Geschichte zu hören.
    Am nächsten Tag berichtete er mir von den großen Sorgen, die er sich immer noch mache. Ich hätte ihm zwar oft genug erklärt, dass man keine Ursache für seinen Gedächtnisverlust finden konnte. Aber ein Freund von ihm behaupte steif und fest, dass es sich auf jeden Fall um die Vorstufe einer Alzheimer-Demenz handeln würde. Ich beruhigte Herrn Bornmeister und erklärte noch einmal, dass es sich bei der transienten globalen Amnesie in keiner Weise um eine Demenz handelte. Sämtliche Untersuchungen hätten ergeben, dass bei ihm kein dementieller Prozess vorläge. Es seien keine Zusammenhänge zwischen diesen beiden Erkrankungen bekannt, sein Freund habe unrecht. Diese eindringliche Erklärung schien Michael Bornmeister einigermaßen zu beruhigen.
    Ich fragte, was seine Recherchen in Hinblick auf die Gedächtnislücke ergeben hätten. Und er erzählte von der Begegnung mit Herrn Koch; dass er jetzt gut rekonstruieren konnte, wie er mit Herrn Koch zuerst mit der Fähre von Hiddensee nach Rügen gefahren war, dann mit ihm bis zu dem Parkplatz des Einkaufszentrums in Samtens. Allerdings sei er sich nicht sicher, ob Hubert Koch, der ihn angeblich mitgenommen hatte, um ihm zu helfen, das Geschehene wahrheitsgetreu darstellte – vielleicht war es doch eine Art von Übergabe gewesen, bei der er dabei war? Vielleicht hat ihn Koch schon auf Hiddensee mit jemand anderem verwechselt und deshalb mitgenommen? Er stelle es jetzt so dar, dass er ihm aus Mitleid geholfen hätte, aber so wie er ihn kennengelernt habe, machte er auf ihn keinen besonders hilfsbereiten Eindruck. »Fest steht auf jeden Fall, dass ich zu dem Bulgaren in den gestohlenen Audi gestiegen und mit ihm in Richtung Stralsund bis zur Polizeikontrolle mitgefahren bin.« Er war überzeugt, dass der Autodieb ihm den Schlüssel zugesteckt hatte, als er von dem Polizeibeamten zur Kontrolle an den Straßenrand dirigiert worden war. »Nach Angaben der Polizei verweigert der Bulgare weiterhin jede Aussage, er wird in ein paar Wochen vor Gericht gestellt werden«, sagte Bornmeister.
    »Damit ist doch die Lücke weitgehend geschlossen; ob der Herr Koch aus Putbus in dunkle Geschäfte verwickelt ist oder nicht, dürfte Sie doch gar nicht groß interessieren; unehrliche Menschen trifft man allenthalben, und es ist nicht Ihre Aufgabe, sie zu entlarven. Sie wollten Ihre Gedächtnislücke schließen, und das ist Ihnen gelungen: Sie wissen, wo Sie waren, und nahezu lückenlos, was Sie während der Periode Ihrer Amnesie getan haben. Damit müsste Ihre Unsicherheit völlig behoben sein.«
    »Nicht ganz«, sagte Bornmeister mit erhobener Stimme, und ich bemerkte wieder den fanatischen Ausdruck in seinem Gesicht: »Es bleibt noch das Rätsel des Schlüssels. Deshalb bin ich wieder hierher zurückgekommen. Der letzte Teil des Puzzles fehlt noch.«
    »Soll das heißen, dass Sie der Polizei immer noch nichts von dem Schlüssel erzählt haben?«, fragte ich ungläubig.
    »Warum sollte ich denn? Ich habe weder etwas vom Schlüssel, noch von meinem Verdacht gegen Hubert Koch erzählt«, war seine Antwort. »Man würde mich doch nur der Mittäterschaft bezichtigen. Nein, das ist jetzt ganz allein meine Aufgabe. Ich habe herausgefunden, dass es sich um einen Schlüssel für einen ziemlich großen Tresor einer Münchner Firma handelt. Dieser Tresortyp ist in den letzten Jahren nur fünf Mal nach Norddeutschland ausgeliefert worden. Die Firma verrät natürlich nicht, an wen und wohin, aber ich habe mit ziemlich viel Überzeugungsarbeit von der Sachbearbeiterin der Rechnungsabteilung zumindest erfahren, dass einer der Tresore nach Binz auf Rügen geliefert wurde. Das ist eine richtig heiße Spur.« Alle meine Warnungen, dass solche Alleingänge zu gefährlich seien, er sich der Polizei anvertrauen und ihr die Ermittlungsarbeit überlassen sollte, fruchteten nicht. »Ah, ehe ich es vergesse, ich brauch noch eine Kopie der Magnetresonanztomographie meines Kopfes, mein Hausarzt möchte sich die einmal anschauen.«
    Wenige Tage später erreichte mich ein Anruf Gudrun Bornmeisters aus Osnabrück. Sie konnte vor Erregung kaum sprechen: »Sie sind der Einzige, der helfen kann. Michael ist wieder verschwunden, allerdings war es diesmal anders als beim ersten Mal. Er hat mir gesagt, dass er es nicht mehr aushält und das Rätsel lösen muss. Jetzt ist er schon eine Woche weg, und ich habe keine Nachricht
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