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Wahn

Wahn

Titel: Wahn
Autoren: Christof Kessler
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lief. Plötzlich rief er laut nach Gudrun. »Du, langsam dämmert mir was. Der Typ. Dieser Hubert Koch hat gelogen, ich habe eine ganz andere Szene vor mir. Er hat hier neben der schwarzen Limousine geparkt, und ich bin aus seinem Auto ausgestiegen und in den anderen Wagen direkt umgestiegen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er gelogen hat. Er hat den Typen, mit dem ich weitergefahren bin, gekannt! Ganz sicher!«
    »Warum soll er dich denn belogen haben?«, fragte Gudrun und fügte hinzu: »Wir müssen das der Polizei mitteilen.«
    »Polizei? Bist du verrückt? Ich habe doch gesagt, dass ich das selber regle. Der Koch hat Dreck am Stecken, ich kriege raus, was da gelaufen ist.«
    Als sie am Abend in ihren Kojen auf dem Boot in Vitte lagen, kuschelte sich Gudrun an Michael. »Komm, wir lassen das Ganze auf sich beruhen und segeln nach Bremerhaven zurück. Es warten so viele schöne Dinge auf uns. Ich habe Angst um dich, diese Menschen sind gefährlich und unberechenbar.«
    »Kommt gar nicht in Frage. Jetzt wird es doch gerade erst spannend. Der Koch hat etwas mit der Bande zu tun, das ist für mich jetzt klar. Wahrscheinlich war ich damals so durcheinander, dass er geglaubt hat, alles mit mir machen zu können.«
    »Warum soll er das denn gemacht haben? Was glaubst du, wofür er dich gebraucht hat? Das ist doch völlig unlogisch. Lass doch, was interessieren uns der Koch und die Bulgaren?«
    Michael brüllte mit einem Mal los, wie sie es noch nie von ihm gehört hatte: »Es interessiert mich, denn es betrifft mich, ich war da mitten drin, und ich kriege raus, was ich damit zu tun hatte. Verdammt noch mal.« Erregt ergriff er einen auf dem Tisch stehenden Kaffeebecher und schleuderte ihn mit voller Kraft gegen die Kajütenwand, dass sich die Scherben im ganzen Raum verteilten.
    »Michael, so beruhige dich doch«, sagte Gudrun besorgt und tätschelte seine Wange.
    Er beruhigte sich etwas: »Wir machen es so: Ich ermittle weiter und du fährst zurück nach Osnabrück, du musst dich um deine Firma kümmern, mach dir keine Sorgen um mich.«
    Ungern ließ ihn Gudrun zurück, aber nachdem sich ihre Vertretung im Betrieb krankgemeldet hatte, konnte sie nicht länger frei machen. Michael brachte sie nach Bergen zum Intercity und fuhr auf dem kürzesten Weg nach Putbus. Am Schlosspark entlang erreichte er die Villa von Hubert Koch und parkte gegenüber. Selbst das Stück von Sibelius, welches N3 gerade brachte, konnte ihn nicht beruhigen. Er fühlte sich einsam und verlassen. Als Koch gegen Abend aus dem Haus kam und mit seinem Volvo in Richtung Stralsund fuhr, wartete Michael noch einige Minuten, stieg aus und ging zum Haus. Alle Fenster waren dunkel, kein Laut drang aus der alten Villa. Er schlich zur Rückfront und ärgerte sich über das Knirschen seiner Schritte auf dem weißen Kies. Er trat auf die Terrasse und schaute in das dunkle Wohnzimmer. Nichts rührte sich im Haus. Die Terrassentür war abgeschlossen. Er ging am Haus entlang und fand eines der kleineren Fenster gekippt. Ohne viel Mühe hebelte er es aus der Verankerung und zwängte sich in den kleinen Raum der Gästetoilette. Von dort gelangte er in das Wohnzimmer, an dessen Wänden mehrere große moderne Bilder hingen. Nachdem er eines nach dem anderen abgehängt hatte, entdeckte er hinter einem großen Bild mit wilden gelb-blauen Blumen einen in der Wand eingelassenen Tresor. Endlich sah er sich am Ziel. Triumphierend zog er den Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn in das Schloss. Der Schlüssel passte nicht, das Schlüsselloch hatte eine völlig andere Konfiguration. »Scheiße«, entfuhr es ihm. Dann verließ er die Villa durch die Eingangstür. »Glück im Unglück, kein Hund, keine Alarmanlage«, dachte er noch, als er sich schweißgebadet hinter das Lenkrad des Mietwagens setzte.
    Wieder ein paar Wochen später ging der Sommer zu Ende, die ersten Regenschauer und Stürme kündigten den nahenden Herbst an. Ich saß abends noch an meinem Schreibtisch, um Akten aufzuarbeiten, als das Telefon klingelte.
    »Hier Bornmeister, Michael Bornmeister. Sie erinnern sich doch noch an mich, der Mann mit dem Gedächtnisverlust. Ich muss Sie unbedingt sprechen.«
    »Sind Sie wieder hier in der Gegend?«, fragte ich verwundert. »Ich dachte, Sie sind längst zu Hause und genießen Ihr Rentnerdasein.«
    »Ja, ich war wieder zu Hause, jetzt habe ich aber hier noch etwas zu erledigen. Haben Sie morgen während Ihrer Sprechstunde Zeit?«
    Also quetschte ich ihn zwischen
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