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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier
Autoren: Graham Swift
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hatte. Also, das Gewehr zum Waffenschrank, so als wäre es nie herausgenommen worden, zusammen mit den Patronen in seiner Tasche, allerdings nicht ohne zunächst die zwei aus dem Gewehr zu entfernen, mit Fingern, die sich heiß um das schlossen, was in den gerade vergehenden Sekunden das Mittel gewesen war, alles zu beenden.
    Panik hatte ihn getrieben. Schweiß war ihm aus den Poren getreten. Sein Atem war zischend gegangen. In seiner Hast, die Beweise zu verstecken, und seiner übergroßen Angst, Ellie könne ihm zuvorkommen, hatte er überlegt, das Gewehr   – das geladene Gewehr   – vorübergehend in den Schirmständer zu stellen. Doch das würde sie bestimmt bemerken, und wie würde er es dann erklären? Außerdem hatte er es in seiner Hast versäumt, sich um die Schachtel Patronen zu kümmern, die oben zwischen seinen Socken lag.
    Doch zum Glück war sie da oben sicher versteckt. Er würde sich später darum kümmern, und weniger hastig, während Ellie in der Badewanne lag, und dabei würdeihm der Gedanke kommen, dass er einfach alle seine Waffen abschaffen würde und so endlich auch das Gewehr, und wenn er das tat, hätte Tom endgültig seinen Frieden. Aber war es Tom, war er noch bei ihm und gab ihm diesen Gedanken ein? War er hier? Oder war er verschwunden?
    Immer noch würde der Regen an die Fenster trommeln, und Jack würde zittern, weil er in dem Schlafzimmer wieder allein war (aber war er wirklich allein?), wo er zuvor allein gewesen war. Er würde die fast vergessene Kuhle in der Bettdecke glatt streichen. Konnte Ellie etwas erraten haben?
    Er würde das Gewehr verkaufen. Oder   – besser, schneller   – bei dem Meer überall um sie herum, das bedauerlicherweise aber für alle Zeiten schon die Medaille verschlungen hatte. Auch das würde er früher oder später erklären müssen: das Fehlen der Medaille. Er würde sagen, er habe sie mitgenommen   – was ja stimmte   – und in Toms Grab geworfen. Das war eine Lüge, aber eine erlaubte Lüge. Wieder würde er, während er die Bettdecke glatt strich, das weiße, verschlossene Tor vor sich sehen. Dann würde ihm der Gedanke in den Sinn kommen, dass er das tatsächlich hätte tun können   – die Medaille ins Grab werfen. Das wäre das Richtige gewesen, der richtige Ort für eine Medaille. So viele unnütze Gedanken, die er zu spät und im Nachhinein hatte, aber dieser war noch nützlich, und manchem Gedanken ließ man besser keine Taten folgen. Mit zitternder Hand würde er die Schachtel mit den Patronen aus der Schublade holen. Er würde Ellie in der Badewanne plätschern hören.
    Doch all dies   – denn noch hatte er die Tür nicht geöffnet,vor der sein Bruder gewacht hatte   – sollte später kommen. Sein Rumoren, als er das Gewehr wieder in den Schrank stellte, hatte zu einer deutlichen Verzögerung geführt. Wie gut, dass auch Ellie eine Verzögerung hatte in ihrem Wunsch, dass die Tür nicht geschlossen bleiben möge, und seine dumme Idee mit dem Schirmständer hatte zu einem viel praktischeren Handeln geführt.
    Jack geht auf Ellie zu, den Strandschirm in der Hand. Ellie geht auf Jack zu. Dann bedeckt der Schirm sie beide, in dem Wind, der ihn Jacks klammerndem Griff zu entreißen versucht, und dem Regen, der seinen dunklen Rhythmus darauf trommelt.

Anmerkung
    Der vorliegende Roman hat nicht die Absicht, den Ablauf der Repatriierung gefallener britischer Soldaten authentisch wiederzugeben. Ähnlichkeiten mit dem tatsächlichen Repatriierungsvorgang sind unbeabsichtigt und zufällig.

Informationen zum Buch
    Ein Sturm tobt, Regen peitscht übers Land, während Jack Luxton aus dem Fenster seines Schlafzimmers blickt, hinter ihm; auf dem Bett, ein Gewehr. Es ist geladen. Ellie, Jacks Frau, sitzt im Auto, unweit des Hauses, und denkt fieberhaft über ihre nächsten Schritte nach. Wie konnte Jack nur sagen, was er gesagt hatte? Wie hatte sie ihn bloß allein lassen können, auf dieser beklemmenden Fahrt?

Das Leben, das Jack mit Ellie nach dem Verkauf der Jebb-Farm auf der Isle of Wight als Wohnwagenpark-Betreiber führt, ist nicht unbequem, aber es ist nicht das Leben, das Jack sich erträumt hat. Als ihn im Herbst 2006 die Nachricht erreichte, dass sein lang verschollener Bruder Tom im Irak gefallen ist, brachen, gleich dem Sturm, der jetzt draußen wütet, alte Erinnerungen, Schuldgefühle und Ungewissheiten auf. Allein machte er sich auf den Weg, um seinen toten Bruder heimzuholen: Eine Reise in die Vergangenheit, die zu einer
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