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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner
Autoren: Martin Clauß
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Blaulichts. Wenn man seine unnatürlichen Eigenschaften ignorierte.
    Polizei? Standen Polizeiautos vor dem Haus?
    Ja, das musste es sein. Nichts, was ihr sonst einfiel, gab blaues Licht ab.
    Die Polizei war auf das Hotel Winslow aufmerksam geworden. Vielleicht lief auch eine Suche nach Jürgens Wagen, und man hatte ihn zufällig auf dem Parkplatz gesehen.
    Natürlich schien es dann keinen Sinn zu machen, das Blaulicht einzuschalten. Aber was wusste Isabel schon über Polizeistrategien?
    Sie wusste nichts, gar nichts. Sie ahnte höchstens.
    Dass es vielleicht nicht mehr nötig war, aus dem Fenster zu springen. Dass die Polizisten sich Zugang zum Haus verschaffen und sie finden würden.
    Isabel schlich zur Tür, drehte den Schlüssel langsam, um kein Geräusch zu verursachen. Öffnete die Tür einen Spalt weit, spähte in den Flur hinaus. Das dunkle Geräusch aus der Tiefe war für einen Moment ungewöhnlich laut, dann wurde es wieder gedämpft. Als habe jemand irgendwo in den Eingeweiden des Hauses eine Tür geöffnet und geschlossen. Andere, lautere Geräusche überlagerten es. Poltern und Quietschen. Als schiebe jemand schwere Objekte über nackte Holzdielen. Möbel zum Beispiel.
    Isabel war es, als höre sie Stimmen. Hohe, weibliche Stimmen. Von außerhalb des Hauses. Polizistinnen?
    Sofort war Isabel wieder am Fenster. „Hallo?“, rief sie. „Hallo? Ich bin hier.“
    Nahezu augenblicklich (viel zu schnell) tauchte eine Gestalt hinter dem Haus auf. Wie eine Polizistin sah sie nicht aus. Aber es war eine Frau, eine junge Frau. Sie trug ein silberfarbenes Kleid und hatte platinblondes Haar. Sie sah aus, als käme sie gerade von einer Feier.
    Eine Polizistin in Zivil? Isabel konnte gerade nur in diesen Bahnen denken. Etwas anderes kam ihr nicht in den Sinn.
    „Sie!“, rief die Frau. Ihre glockenklare Stimme durchschnitt die Nacht wie ein Messer. „Sie am Fenster! Kommen Sie durchs Haus und öffnen Sie uns die Tür.“
    „Okay!“, antwortete Isabel. Natürlich gehorchte sie. Selbst wenn die Fremde keine Polizeibeamtin war, war sie doch eine Frau. Und das war alles, was Isabel sich wünschte. Frauen im Haus, so viele wie möglich.
    Sie verließ das Zimmer, rannte die Treppe hinunter. Es kümmerte sie jetzt nicht mehr, ob man sie hörte. In ein paar Sekunden würde sie an der Tür sein, sie von innen öffnen – und dann war sie gerettet. So schnell ging das.
    Isabel erschrak bis ins Mark, als sie die Diele erreichte.
    Mitten darin stand der alte Winslow. Keuchend. Er hatte die Tür von innen mit einem Tisch und einem Schränkchen verbarrikadiert, massierte sich den Rücken, der von der Anstrengung wohl schmerzte.
    „Machen Sie keine Schwierigkeiten“, drang die Frauenstimme durch die Tür. Isabel erkannte die Stimme, die auch ihr am Fenster Anweisungen gegeben hatte. „Wenn sie uns aufhalten, werden Sie es bereuen.“
    Diese Worte hatten einen seltsamen Klang. Redeten Polizisten so?
    Winslow antwortete nicht. Verbissen stemmte er sich gegen die Möbelstücke. Durch den feinen Spalt unter der Tür drang ein bläulich-silberner Schein ins Haus. Der Alte schien keine Waffe zu tragen, und Isabel drängte sich neben ihn, zerrte ihn weg. Isabel war ausgesprochen berührungsscheu. Sie fasste nicht gerne Menschen an und ließ sich nicht gerne anfassen. Den alten Mann zur Seite zu stoßen, kostete sie Überwindung. Natürlich wehrte er sich. Es brauchte mehr als gedämpfte Gewalt, um ihn aus dem Weg zu zerren. Es brauchte echte Gewalt. Er stieß mit dem Knie nach ihr. Der Schmerz war noch erträglich. Dann trat er mit aller Kraft auf ihren nackten Fuß. Isabel biss die Zähne zusammen und drückte ihn von sich. Er stolperte über einen umgeschlagenen Teppich und stürzte. Stöhnend blieb er liegen. Vielleicht hatte er sich etwas gebrochen, aber er durfte ihr nicht leid tun. Er steckte mit Jürgen unter einer Decke. Sein Hotel war eine Falle. Eine Mädchenfalle.
    Wo war eigentlich Jürgen?
    Isabel beeilte sich, den Tisch und das Schränkchen von der Tür wegzuziehen. Dabei hatte sie das seltsame Gefühl, das Licht, das über den Boden kroch, mit ihren nackten Füßen zu spüren. Zuerst kitzelte, kribbelte es, dann, als sie sich näher an die Tür arbeitete, schmerzte es sogar ein wenig. Eine Art Hitze ging von dem bläulichen Schein aus.
    Isabel fielen Winslows Worte ein. Was mache ich, wenn sich mir die Strahlen bis ins Hirn fressen, hm?
    Es war soweit. Obwohl Winslow herangekrabbelt kam wie ein übergroßes
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