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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner
Autoren: Martin Clauß
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1
    Sommer 1997
    „Also, fahren Sie den Wagen nun zum Revier oder nicht?“
    „Ich … ja, gerne …“
    Der junge Beamte hieß Rick Aufdemberg und war vor wenigen Monaten erst der Polizeischule entwachsen. Seit einer halben Stunde tänzelte er um den silbernen Ferrari herum, als überlege er sich, wie er ihn ansprechen sollte.
    Die Herren von der Spurensicherung hatten das Auto freigegeben. Allerdings war der Besitzer noch nicht in der Verfassung, es wegzufahren, und der Kommissar hatte ihm angeboten, es von einem Beamten in die Stadt fahren zu lassen. Siegfried Quetz, der nur Q genannt wurde, wurde zusammen mit den Jugendlichen im Bus von diesem Ort weggebracht. Ein anwesender Polizeipsychologe hatte darauf gedrängt, die Leute nach der stundenlangen Befragung vor Ort endlich nach Friedrichshafen zu fahren, wo sie etwas Abstand zu den schrecklichen Ereignissen gewinnen konnten (SIEHE FALKENGRUND EPISODE 29 „CLAUßTROPHOBIE“ IN FALKENGRUND BAND 21).
    Ein Mord war geschehen im Haus Braun, dem Ferienheim am Bodensee. Für Karla saß der Schreck am tiefsten. Ihr Vater Heinrich Senk hatte ihre Freundin Gina getötet, mit einer irren Konstruktion, die einen gewöhnlichen Schrank in eine tödliche Falle verwandelte. Gina war im Schrank zerquetscht worden, ein Tod wie aus dem Albtraum. Sie nahmen an, dass der geisteskranke Mann Karlas Freunde für etwas bestrafen wollte, was ein Jahr zurücklag. Im vorigen Ferienlager letzten Sommer hatten sich Karla, Gina, Harald und Johannes über ihren Mitschüler Tim lustig gemacht, der unter Klaustrophobie litt. Karla war so weit gegangen, ihm eine Liebesnacht mit ihr zu versprechen, wenn er es eine Viertelstunde in einem engen, dunklen Schrank aushielt. Um ihm zu helfen, die Wette zu gewinnen, hatten sie den Schrank von außen mit einem Riegel verschlossen. Ja, es war eine Art von Hilfestellung gewesen – das redeten sie sich nach Kräften ein, um mit der Schuld fertig zu werden, die sie auf sich geladen hatten.
    Das Ergebnis hatte so niemand vorausgesehen, obwohl es naheliegend gewesen war: Tim hatte den Kampf gegen seine Angst verloren und war seelisch in ein so tiefes Loch gefallen, dass er fortan nur noch innerhalb einer Anstalt, unter ständiger Beobachtung und unter dem Einfluss beruhigender Medikamente leben konnte.
    Heinrich Senk musste Tim dort kennen gelernt und seine Geschichte erfahren haben. Als er im Laufe des Jahres entlassen wurde, hatte er das heruntergekommene Ferienhaus am See übernommen, es mit vorbildlichem, nahezu übermenschlichem Fleiß auf Vordermann gebracht und bei dieser Gelegenheit auch gleich eine Todesfalle in den Schrank gebaut, der Tim zum Verhängnis geworden war. Gina war im Schrank zerquetscht worden …
    Über das Motiv konnte man nur Vermutungen anstellen. Offenbar wollte sich Heinrich, der seine Tochter Karla schon als Kleinkind vor der bösen Welt abzuschirmen versuchte, an Karlas Freunden rächen. Die Freunde, so glaubte er, hatten einen schlechten Einfluss auf seine Tochter ausgeübt und sie dazu gebracht, das Unmögliche von Tim zu verlangen, das seine Krankheit eskalieren ließ.
    Wenn die Theorie stimmte, dann hätte der Mord an Gina nur den Anfang bedeutet. Auch Harald und Johannes mussten auf seiner Liste gestanden haben. Doch Gina wurde entdeckt, während Karla, Harald und Jo abwesend waren, die Polizei wurde gerufen, und Heinrich Senk hatte keine Gelegenheit mehr gefunden, die beiden zu töten. Als er dies einsah, musste er die Entscheidung getroffen haben, sich das Leben zu nehmen. Anderthalb Jahrzehnte in einer geschlossenen Anstalt lagen hinter ihm. Nun, da er endlich frei war, wollte er lieber sterben als wieder hinter den Mauern einer solchen Institution zu verschwinden. Qs Ferrari stand neben dem Haus auf dem Parkplatz. Der Wagen war noch nicht abgeschlossen, da Q eben erst eingetroffen war und das Gepäck aus dem Kofferraum genommen hatte. Seine Reisetasche lag noch neben dem Auto, doch sie fiel ihm erst nach Stunden wieder ein, als sich das Durcheinander gelegt hatte und die Polizei mit ihrer ersten Befragung am Ende war. Als Q den Kofferraum öffnete, fand er dort die Leiche von Heinrich Senk. Der gestörte Mann hatte es geschafft, seinen großen Körper in den engen Stauraum zu quetschen und die Tür von innen zu verschließen. Dann musste er erstickt sein.
    Mittlerweile lag Heinrich Senk auf einer Bahre im Notarztwagen, doch Q brachte es nicht über sich, seinen Ferrari anzufassen oder auch nur anzusehen. Ginas Tod
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