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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner
Autoren: Martin Clauß
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hatte ihn bereits an den Rand des Nervenzusammenbruchs geführt, und die Tatsache, dass ihr Mörder sich ausgerechnet in seinem Auto das Leben genommen hatte, war zu viel für ihn. Siegfried Quetz war froh, als man ihn in den Bus setzte, der sie zuerst nach Friedrichshafen und später nach Hause bringen würde.
    Geistesabwesend hatte er zugestimmt, seinen Wagen von einem Beamten wegfahren zu lassen. Er gab die Schlüssel aus der Hand, ohne den jungen Mann auch nur anzusehen. Vor seinem inneren Auge war nur Platz für das Gesicht von Gina, für deren Wohlergehen er als Leiter der Freizeit verantwortlich gewesen war. Als er eingetroffen war, war sie schon tot gewesen. Natürlich machte er sich die schlimmsten Vorwürfe deswegen. Wäre er mit den anderen zusammen im Bus angereist, statt auf seinen Ferrari zu bestehen, hätte er vielleicht etwas tun können. Vielleicht wäre ihm aufgefallen, dass mit dem Schrank in Ginas Zimmer etwas nicht stimmte …
    Rick Aufdemberg stieg mit zwiespältigen Gefühlen in das Luxusgefährt. Es war wie ein Traum, ein solches Auto fahren zu dürfen. Er strich über das Lenkrad, betrachtete die Armaturen und kuschelte seinen schlanken Körper in den tiefen Sitz. Teil dieses Autos zu werden, war ein erotisches Erlebnis, keine Frage. Andererseits hatte bis vor einer Stunde noch eine Leiche im Kofferraum gelegen – schlimmer noch: Der Mann war dort gestorben – und Rick konnte gar nicht anders, als sich immer wieder nervös nach hinten umzusehen. Der Tod schien hinter ihm im Wagen zu sitzen und ihn zu beobachten.
    Mit zitternden Fingern schob er den Schlüssel in das Zündschloss. Das Schloss schluckte ihn hungrig.
    Der Kommissar stand mit einem ungeheuer erwachsenen Blick neben dem Auto und schloss nun die Tür für ihn, wie ein Vater, der seinem Filius zum ersten Mal seinen Wagen lieh. Fahr vorsichtig, Junge , schien sein Blick zu sagen. Und lass dich nicht verrückt machen. Es ist nur ein Auto.
    Möglicherweise sagte der Blick auch: Es war nur eine Leiche, und sie ist nicht mehr da …
    Der Bus war abgefahren, auf dem Parkplatz herrschte Leere. Drei oder vier der Beamten schienen nicht Wichtigeres zu tun zu haben als Rick dabei zuzusehen, wie er den Ferrari in Bewegung setzte und aus dem Parkplatz hinaus manövrierte. Er konzentrierte sich darauf, den Motor nicht abzuwürgen.
    Auf den ersten Metern wagte er nicht mehr als 40 Stundenkilometer. Dann bog er auf die Landstraße ein und drückte aufs Gas. Er brauchte den Blick nur für einen Moment vom Tachometer zu nehmen, schon hatte er die Höchstgeschwindigkeit überschritten. Man spürte kaum, wie das Fahrzeug beschleunigte. Der Motor brummte dunkel und ruhig vor sich hin, machte einen zufriedeneren, ausgeglicheneren Eindruck, je höher die Geschwindigkeit wurde.
    Rick lächelte in sich hinein. Allerdings war es ihm, als könnte man hinter dem Motor etwas hören, Atemzüge, zunächst langsam, dann immer hektischer. Das entsetzliche Atmen von Heinrich Senk im winzigen Kofferraum.
    Es musste irgendein Fahrgeräusch sein, welches in seinem Kopf umgedeutet wurde. Rick schaltete das Radio ein. Der Oldiesender war eingestellt, und Bob Marley erklärte, dass er zwar den Sheriff erschossen, den Deputy aber am Leben gelassen hatte. Rick überholte einen Mercedes und lächelte der Fahrerin zu. Gott, diese Maschine, die ihn umgab, fühlte sich gut an. Wie viel besser hätte sie sich angefühlt, wenn es seine eigene gewesen wäre – und wenn Heinrich Senk sich einen anderen Ort zum Sterben ausgesucht hätte!
    Würde dieser Quetz den Wagen verkaufen? Würde der Ferrari bei irgendeinem Gebrauchtwagenhändler auftauchen, wo ihn jemand kaufte, ohne von seiner Vorgeschichte zu erfahren? So etwas hinterließ keine Spuren. Blut hatte es keines gegeben. Speichel und Urin, ja, diese Körperflüssigkeiten hatte der Sterbende verloren, aber kein Blut. Wie billig konnte ein solches Auto werden? Angenommen, Rick fand heraus, welcher Händler den Wagen verkaufte, er schlenderte auf ihn zu, die Hände cool in den Hosentaschen, und erzählte ihm, dass er wusste, was sich in dem Fahrzeug ereignet hatte – konnte er dann einen Preis herausschlagen, der von seinem spärlichen Einkommen zu finanzieren war?
    Wieder das Atmen. Irgendetwas lief nicht ganz rund, ein Laut schwoll an und versiegte wieder.
    Er fuhr mit 110 Sachen auf das 80er-Schild zu und ging erst vom Gas, als er schon längst daran vorbei war. Die B 31, auf der er sich befand, war nicht dazu geeignet, den
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