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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief
Autoren: Susan Abulhawa
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in der Widerstandsbewegung aktiv gewesen und dabei umgekommen. Die anderen waren im Gefängnis gelandet, und Darwish hatte sich damals gewünscht, sterben zu dürfen. Doch er hatte überlebt, in seinem Rollstuhl, im hintersten, innersten Winkel.
    David und Ari entdeckten Basimas Grab, wo früher der Friedhof gewesen war, direkt oberhalb des Dorfes. Die meisten Grabsteine waren entfernt worden. Aber ein Strauch roter Rosen mit weißen Streifen stand im hohen Gras.
    »Hier ungefähr haben wir sie begraben«, sagte Ari. »Dalia hat diese Rosen gepflanzt.«
    Sara gesellte sich zu Ari und David. Während ihrer letzten Tage zusammen hatte Amal ihrer Tochter von dem Grab und den Rosen erzählt. Die Geschichte war noch frisch in ihrem Gedächtnis, darum begriff Sara sofort, was die beiden Männer da betrachteten.
    »Sollen wir die Fatiha für meine Groß-Teta sprechen?«
    »Natürlich«, entgegnete Ari.
    »Können Sie sie mir beibringen? Die Fatiha, meine ich?«, fragte David.
    »Natürlich.«
    Noch am selben Tag fuhr Sara ein Stück weiter, bis zum Strand von Haifa. Sie hatte ihrer Ammitu Huda versprochen, Fotos vom Meer zu machen. Ihr ganzes Leben lang war Huda ihr Kindheitswunsch versagt geblieben, einmal den Ozean zu sehen, bloß dort zu sitzen, »weil ich nicht schwimmen kann«.
    In Jenin fand Sara endlich die große Familie, nach der sie
sich gesehnt hatte. Huda wurde ihr eine mütterliche Freundin. Saras Groß-Ammu Darwish hatte für eine ganze Reihe an Cousins gesorgt – ersten, zweiten und dritten Grades. Am liebsten von allen war ihr Mansur.
    Ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter war Sara immer noch in Jenin und half beim langwierigen Wiederaufbau, der von Zeit zu Zeit mit Spenden aus den reichen Golfstaaten unterstützt wurde. Sie nahm einen Job bei einer französischen Nichtregierungsorganisation an und wohnte bei Huda. Ihr Onkel David kam gelegentlich vorbei, genau wie Jakob. Sie alle waren ganz unterschiedliche Menschen, die vereint waren im Verlust und in der Hoffnung auf Frieden und dadurch zu einer Art Familie wurden.
    Nach dem Tod seiner Schwester hörte David auf zu trinken. Er schrieb diese Worte auf Saras Website:
    Ich trinke nicht mehr, liebe Schwester. Irgendwie ist das Dein Geschenk an mich. Ich werde nie ganz Jude oder Moslem sein, niemals ganz Palästinenser oder Israeli. Weil Du mich angenommen hast, bin ich zufrieden damit, einfach ein Mensch zu sein. Du hast verstanden, dass ich, obwohl ich zu solcher Grausamkeit fähig war, auch zu großer Liebe fähig bin.
    Sara wurde schließlich in die Vereinigten Staaten abgeschoben, wo sie einen Job bei der Nachrichtenagentur Al-Jazeera annahm. Ihr Cousin Jakob ging mit ihr, um an Amals alter Hochschule, der Temple University, zu studieren. Wie sein Onkel Yussuf zeigt er große Begabung für die Mathematik.
    Während Saras Aufenthalt in Jenin konnte sie ein Visum für Mansur bekommen, den sie liebte wie einen Bruder. Osama wurde aus der israelischen Haft entlassen. Er und seine Frau Huda ermutigten Mansur, in die Vereinigten Staaten zu gehen.
Darum schickte Sara ihm kurz nach ihrer Rückkehr nach Pennsylvania ein Flugticket, und Mansur zog zu ihr und Jakob in das alte viktorianische Haus, das Saras Mutter restauriert hatte und in dem sie aufgewachsen war.
    David schrieb darüber auf Saras Website:
    Huda und Osama haben mir erzählt, dass Mansur Kunst studiert und einen Teilzeitjob hat. »Es geht ihm gut«, versicherte mir Huda. »Ich bekomme ständig Briefe von ihm.« Sie zeigte mir ein Bündel davon. »Schau, was er hier schreibt«, sagte sie und las mir eine Passage vor, in der er sein Erstaunen über eine Welt ohne Militärbesatzung beschrieb. Er hatte sich nie vorstellen können, wie erhebend es ist, frei leben und sich fortbewegen zu dürfen.
    Ich besuche Huda und Osama oft. Huda kocht so wunderbar. Und sie helfen mir, standhaft zu bleiben, wenn ich mich nach Alkohol sehne. »Rauchen wir lieber eine Huka«, sagt Osama dann. Der Apfel-Honig-Tabak ist mit Abstand am besten.
    Gestern war ich wieder dort, und Osama bemerkte, dass unsere Kinder wie Geschwister in dem Haus in Pennsylvania leben. Eine Amerikanerin, ein Israeli und ein Palästinenser. »Wie schön das ist«, sagte Huda, und ihre Augen leuchteten. »Ja, wirklich«, erwiderte ich und sog den nach Honig und Apfel duftenden Rauch ein.
    Alles Liebe, David
    … Alles Liebe, Ismael

47
Yussuf, der Preis Palästinas
    2002
    I ch plane es. Ich lebe dafür. Ich sehe es. Ich werde es tun. Ich werde töten.
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