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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume
Autoren: Kathryn Smith
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rufen, doch bei dem Lärm der Menge und weil mein Herz so laut pochte, konnte ich ihn nicht verstehen. Scheiße, was sollte das jetzt?
    Als ich es endlich merkte, war es zu spät. Mir schlug das Herz bis zum Hals, denn ich wusste, dass Padera mich jetzt ein für alle Mal erledigen würde.
    Sie hatte den Nebel herbeigerufen. Das hätte ich mir denken können. Schon einmal hatte sie ihn auf mich gehetzt, und da sie zu denen gehörte, die jede Schwäche auszunutzen verstanden, wollte sie es jetzt wieder tun.
    Meine Schwester lächelte mir doch tatsächlich zu, während die wallenden Nebelschwaden sich um sie drängten wie Hündchen, die beachtet werden wollten. Für mich wirkten sie eher wie kreisende, blutrünstige Piranhas.
    Was um Himmels willen sollte ich bloß tun? Als der Nebel langsam auf mich zuwogte, war mein Hirn wie leergefegt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Er würde mich beißen und kratzen und schließlich zerfetzen, ohne dass ihn jemand aufzuhalten vermochte. Sicher, hinterher konnte ich mich wieder heilen, aber das Malheur wäre geschehen.
    Als die ersten Nebelfetzen mich berührten, stand ich reglos mit geschlossenen Augen da und kämpfte gegen die Furcht an, die sich in meiner Brust zusammenballte, meine Wangen rötete und mich völlig kopflos machte. Bring mich einfach um, damit ich es hinter mir habe, dachte ich.
    Padera sprach noch immer. Was sagte sie? Sie feuerte den Nebel an und befahl ihm, endlich loszulegen. Ich hätte Morpheus raten sollen, ihr die Hölle heißzumachen. Mir doch egal, ob sie meine Verwandte war – sie war eine verdammte Irre!
    Ein stechender Schmerz am Handgelenk ließ mich zusammenzucken. Der dritte blutige Treffer ging an den Nebel. Der vierte und fünfte ebenfalls – an meinem Fußknöchel und seitlich am Hals. Das Blut tropfte aus meinen Wunden, und ich stellte mir vor, dass der Nebel immer aggressiver wurde – wie Haifische, die sich zum tödlichen Angriff sammeln.
    »Du musst dafür sorgen, dass er dich respektiert«,
hörte ich Vereks Stimme in meinem Kopf.
    Also gut, es gibt immer Mittel und Wege, die Angst zu besiegen, und einer davon besteht darin, sich dem Gefürchteten zu stellen. Ich öffnete die Augen und zwang mich, in den Nebel zu starren.
    Gleich darauf stieß ich ein Keuchen aus, als spitze Krallen mir den Rücken zerkratzten. Wenn das so weiterging, würde mich das Gift schneller erledigen als alles andere.
    Ich konzentrierte mich auf meinen Atem, ohne darauf zu achten, dass mir der Schweiß über Gesicht und Hals lief. Die Wunden brannten wie Feuer, und ich spürte bereits die Hitze des Fiebers in meinen Adern. Daher musste ich rasch handeln, was nicht meine Stärke war. Ich war zwar manchmal impulsiv, doch meistens dachte ich zu lange nach, und das war auch jetzt mein Problem.
    Seinen Geist leer werden zu lassen ist leichter gesagt als getan. Doch mir blieb nichts anderes übrig. Auf der Stelle musste ich alle Gedanken loslassen und mich auf meinen Instinkt verlassen. Allerdings nicht auf den Instinkt, der mir riet, den Nebel in Stücke zu hacken. Denn das war mein menschlicher Instinkt. Stattdessen musste ich tief in mich hineinhorchen und mich dem hingeben, was ich die Dunkle Dawn nannte. In dieser Welt kannte sie sich aus. Ich konnte nur hoffen, dass ich sie hinterher wieder unter Kontrolle bekam.
    Ich brauchte nicht allzu tief zu horchen, denn offensichtlich wartete sie schon. Wenn das Ganze hier vorbei war, musste ich mich bestimmt wegen einer dissoziativen Identitätsstörung in Therapie begeben.
    Noch ein Biss in die Kniekehle, weitere Kratzer im Gesicht. Ich taumelte, weil der Nebel sich um mich legte und zudrückte, während er mich die ganze Zeit über mit zahllosen wispernden Stimmen beschimpfte.
    Ich hockte auf Händen und Knien und rang nach Atem, als ich plötzlich das Gefühl hatte, etwas Heißes würde hinter meinen Augen explodieren. Zuerst dachte ich, das Gift hätte meine Augäpfel zum Platzen gebracht, doch dann stellte ich fest, dass ich sogar noch schärfer sehen konnte als zuvor. Ich entdeckte Gestalten im Nebel – Gesichter, monströs und hübsch zugleich, Hände, Münder, Augen und Ohren. Gruselig. Einige dieser Gestalten waren menschenähnlich, andere nicht. In diesem Nebel verbarg sich alles Mögliche.
    Moment mal, hatte Hadria nicht gesagt, in mir würde von allem etwas stecken? In diesem Augenblick begriff ich.
    Ich brauchte nicht gegen den Nebel zu kämpfen und mich auch nicht zu wehren. Ich musste mich nur
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