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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition)
Autoren: Christoph Saurer
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Straße befand, fragte er den Taxifahrer in gebrochenem Deutsch nach dem Haus in der Augustinergasse.
    »Der Münsterplatz ist autofrei«, gab ihm der Taxifahrer mit markantem Schweizer Akzent zur Antwort, »aber es ist zu Fuß nicht weit. Gehen Sie von hier immer geradeaus am Münster vorbei, und überqueren Sie dann den Münsterplatz. Die Augustinergasse können Sie nicht verfehlen, sie beginnt direkt auf der anderen Seite des Platzes.«
    Gabriel ließ sich Zeit, seine Brieftasche wegzustecken, und blinzelte in die ersten Strahlen der Morgensonne, die sich durch die tief hängende Wolkendecke kämpften. Einen Augenblick lang dachte er an seinen älteren Bruder Ismael und an dessen zu kurzes Leben, in dem es selten Zorn, jedoch unendlich viel Sanftmut gegeben hatte. Seine Welt war der sakrale Gesang, täglich hatte seine bezaubernde Stimme die Gewölbe des Klosters von Silos erfüllt.
     
    Als das Taxi in einer Seitenstraße verschwunden war, wirkte die Gasse zum Münsterplatz wie ausgestorben. Unerwartet fingen die Glocken des Münsters an, sieben zu schlagen. Gabriel gab sich einen Ruck, als folge er ihrem Ruf, und wandte sich dann zum Gehen. Mit zügigen Schritten durchquerte er das kurze Straßenstück zum Münsterplatz, der schon während der Römerzeit, vor allem aufgrund seiner strategischen Lage als kleiner Hügel direkt am Rhein, besiedelt worden war. Reste davon sollten hier irgendwo noch zu sehen sein, doch für Geschichtliches hatte Gabriel jetzt keine Zeit. Daher schenkte er auch den jahrhundertealten Domherrenhäusern kaum Beachtung, die den Platz säumten und ihm seinen mittelalterlichen Charme verliehen.
    Wie ein altes Mahnmal ragte nun das Basler Münster vor ihm in den diesigen Himmel. Denn 1446 wurde hier ein Laie von den Basler Konzilvätern in feierlicher Sitzung zum Pseudo-Propheten, Verführer des Christenvolkes und unverbesserlichen Ketzer erklärt, als das Böse verdammt und dem weltlichen Arm zur Verbrennung übergeben. Noch immer zierte die Fassade des Münsters als wahrhaftiger Held, siegreich im Kampf gegen das Böse, ein Drachentöter hoch zu Pferd. Den ritterlichen Helden samt Drachen an der roten romanisch-gotischen Sandsteinmauer zurücklassend, folgte er seinem Weg über den alten Pflasterbelag und am zarten Frühlingsgrün des Baumhains vorbei. Kurz darauf erreichte er an der gegenüberliegenden Seite des Münsterplatzes die Augustinergasse.
     
    Gestern Abend war Gabriel kurz entschlossen von Madrid nach Basel geflogen, als er einen Zeitungsartikel gelesen hatte, den ihm sein Freund Frank per Fax zugeschickt hatte. In dem Artikel nahm ein gewisser Dr. Andreas Bernard zu bestimmten christlich-religiösen Aspekten Stellung, die seit dem Erscheinen von Dan Browns Roman, einem von der Presse verschrienen ›Religionsfrevel‹, nicht nur in der Welt des literarischen Feuilletons kursierten. Unter anderem fand sich in Bernards Artikel ein Hinweis auf einen Kelch, einem bisher noch unbekannten Templer-Relikt. Übernachtet hatte Gabriel nach seiner Ankunft in Basel in einem extravaganten Hotel mit Namen ›Teufelshof‹ in der Innerstadt.
    Heute Morgen war er um fünf Uhr aufgestanden, hatte sich Zeit für das Frühstück genommen und sich dann mit dem Taxi auf den Weg gemacht. Nun stand er vor dem schmalen mediävalen Haus der Person, die den Artikel geschrieben hatte. Es sah etwas kleiner und älter aus als die anderen eng aneinandergebauten, historischen Häuser, die die schmale Straße säumten.
    Gabriel blickte sich aufmerksam um und musterte die Umgebung. Alles war sauber und wirkte beruhigend, zu dieser noch kargen Jahreszeit allerdings auch etwas leblos. Ein altes schwarzes Fahrrad stand vor dem Haus. Die Zeit schien hier fast stillgestanden zu haben. Dann trippelte eine ältliche Frau an Gabriel vorbei und musterte den dunkelhäutigen Spanier mit einem argwöhnischen Blick. Trotz der täglichen Besucher aus aller Welt war es für sie wohl ungewöhnlich, schon zu früher Morgenstunde in diesem mittelalterlichen Winkel der Stadt Touristen anzutreffen. Er nickte ihr flüchtig zu, betrat die etwas ausgetretene steinerne Treppe zur Eingangstür und klingelte.
     
    Plötzlich stieg eine bedrückende Ahnung in ihm auf, denn im Rücken spürte er den Blick einer lauernden Gefahr. Sie erinnerte ihn an den Traum, den er in der vergangenen Nacht geträumt hatte, und den schalen Geschmack von Furcht, die er beim Aufwachen nicht gleich losgeworden war. Der Schrecken erwachte jetzt erneut und
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