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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition)
Autoren: Christoph Saurer
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Sieg der ›Reconquista‹ wurden viele der verbliebenen Mauren zu zwangskonvertierten ›Moros‹ oder ›Moriscos‹.« Gabriel wandte seinen Blick Bernard zu. In seinen Augen lag ein Schatten, der das ganze Ausmaß seiner Bitterkeit offenbarte. Dann fuhr er leise fort: »Doch im Jahr 1308 lebten meine Vorfahren noch in Miravet, einem maurischen Felsendorf in Katalonien.
    Auf dem Fels über dem Dorf thront noch heute die imposante Templerburg, als Wahrzeichen von Miravet. Die Templer achteten damals die dort ansässige Bevölkerung der Moriscos, verlangten jedoch als Gegenleistung Arbeit und Gehorsam. Meine Vorfahren standen im Dienst dieser Kriegermönche, die nach der christlichen Eroberung am 24. August 1153 ihre Herren wurden. Sie galten als besondere Bedienstete der Templer und genossen zu jener Zeit ihr vollstes Vertrauen.«
    »Ihre Vorfahren standen damals im Dienst der Templer?«, fragte ihn Bernard ungläubig.
    »Sicher, doch im Zuge der Templer-Verfolgung wurde das Jahr 1308 ein äußerst schwarzes Jahr für die dortige Templerburg. Nachdem der Kreis der königlichen Belagerung um die Templerburg im Jahr 1308 immer enger geworden war, zog Berenguer de Santjust, der letzte Befehlshaber von Miravet und ehemaliger Provinzmeister des Ordens, einen meiner Vorfahren, der ihm besonders nahestand, ins Vertrauen und teilte ihm seine Sorgen um die Zukunft mit. Als die Umzingelung der Festung dann immer unerträglicher wurde und kein anderer Ausweg als die Übergabe der Burg blieb, betraute der alte Kommandant meinen Vorfahren mit einer besonderen Mission. Dabei ging es um einen rätselhaften Kelch, um den sich bestimmte Tempelritter gelegentlich versammelten. Er diente der Einweihung in ein Mysterium, das zu jener Zeit von der Templerelite gehütet wurde. Dieser Kelch wurde damals schweren Herzens in die Obhut meines Vorfahren gegeben.«
    Bernard stockte für einen kurzen Moment der Atem, die Kaffeetasse auf halber Höhe vor seinem Mund innehaltend, sah er dem dunkelhäutigen Mann ungläubig in die Augen. »Sie machen wohl einen Scherz? Möglicherweise handelte es sich hierbei auch noch um den mysteriösen Gral?«
    »Ob Sie mir glauben wollen oder nicht, doch von dem mysteriösen Gral weiß ich so gut wie nichts. Wir haben darüber auch nicht nachgedacht. Doch seit dem Jahr 1308, als uns Berenguer de Santjust den rätselhaften Kelch anvertraute, also seit siebenhundert Jahren, ist der älteste Sohn jeder neuen Generation unserer Familie der Hüter dieses Kelches.«
    Bernard schüttelte nur ungläubig den Kopf, dieser Mann hatte einen Stammbaum, der weiter zurückreichte als der aller Europäer, die Bernard kannte, und trotzdem benahm er sich so, als wenn es sich um eine x-beliebige Geschichte handelten? »Das alles ist kaum zu glauben!«
    »Nun, die Qualen der Verzweiflung vor dem kritischen Augenblick der Übergabe an die königlichen Streitkräfte müssen groß gewesenen sein, sonst hätte der Provinzmeister des Ordens diesen heiligen Templerschatz nicht einem Morisco anvertraut. Aber auch meinem älteren Bruder ist Jahrhunderte später Ähnliches widerfahren.«
    Gabriel machte eine bedeutungsvolle Pause. Bernard schwieg und starrte auf seine faltigen Hände. Er sah auf einmal alt und gebrechlich aus, trotz seiner aufrechten Haltung.
    »Am Tag der Übergabe des Kelches gab der alte Kommandant all seinen Bediensteten die Erlaubnis, die belagerte Burg zu verlassen. Die königlichen Streitkräfte ließen die Moriscos die Burg unbehelligt verlassen und mitsamt ihrer Habe davonziehen. So wurde unsere Familie zum Geheimnisträger und Hüter des Templer-Relikts.«
     
    Ein längeres Schweigen trat ein. Bernard begann zu begreifen, dass er keinen fanatischen Gralsjäger vor sich hatte, sondern einen Mann, der durch eine alte Familientradition über Jahrhunderte hinweg mit einem mythischen Geheimnis verbunden war. Er hob den Blick und sah Gabriel über den Tisch hinweg an.
    »So, wie ich Sie verstehe, sind Sie der Hüter eines verlorenen Schatzes«, sagte er mit rauer Stimme und lächelte dabei ungläubig.
    » Sie sprechen von verlorenem Schatz, nicht ich. Doch zu diesem Punkt wollte ich noch kommen. Schon vor der Vertreibung der Morisken aus Spanien lebten meine Vorfahren in einer abgeschiedenen Gegend an der Pilgerrute nach Santiago, die zwischen den alten Königsstädten Burgos und León liegt. Sie standen im Dienst der Elite, die aus den Wirren der Zeit hervorgegangen war, und wurden auch nach dem Verbannungsedikt von
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