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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition)
Autoren: Christoph Saurer
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1609 im damaligen Spanien geduldet.
    Die Familientradition, sich um das Templer-Relikt zu kümmern, wurde über Jahrhunderte hinweg beibehalten, und der Kelch von meiner Familie bis zum gegenwärtigen Tag als privates Kultobjekt, als Ausdruck der Würde und des Respekts gegenüber der Geschichte unserer Familie verehrt. Zuletzt war mein Bruder für die Verwahrung unseres Kelches verantwortlich, der als Mönch im Benediktinerkloster von Silos lebte. Doch das Schicksal wollte es, dass er als Erster, nachdem unsere Familie das Geheimnis über siebenhundert Jahre lang bewahren konnte, entdeckt und ermordet wurde. Seither ist der Kelch verschollen.«
    Gabriel machte eine vielsagende Pause und musterte Bernard mit prüfendem Blick, doch er schien wie erstarrt und rührte sich nicht. 
    »Alles«, fuhr er fort, »was wir mit Sicherheit wissen, ist Folgendes: Der Vatikan hat den Kelch zwischen den Reliquien und Monstranzen im Kloster von Silos entdeckt, doch mein Bruder ist Rom zuvorgekommen. Er hat den Kelch noch rechtzeitig aus dem Versteck hervorgeholt, noch bevor der Vatikan erkannt hatte, dass es sich hierbei um ein außergewöhnliches Templer-Relikt handelte. Außerdem wissen wir, dass er den Kelch in seiner Not an einen Jakobspilger übergeben hat. Sicherlich mit der Bitte, ihn sorgfältig zu verwahren und später an meinen Bruder zurückzugeben. Doch seit dem gewaltsamen Tod meines Bruders sind der Kelch ebenso wie der mysteriöse Pilger verschwunden. Auch eine Liste, in die jeder, der im Kloster Santo Domingo de Silos Unterkunft findet, seinen Namen und seine Adresse eintragen musste, gilt seither als unauffindbar.«
     
    * * *
    Der Italiener war an dem schmalen Haus an der Augustinergasse vorbeigelaufen. Auf dem Weg zum Münster hatte er mit dem Vorgesetzten Vikar Dario Merini telefoniert, dem Ersten Sekretär der Kongregation für Glaubenslehre, und ihm die entstandene Situation geschildert. Kurz darauf hatte er den Befehl erhalten, ohne Rücksicht auf Verluste alles Unerwünschte zu beseitigen. »Das war sehr klug«, dachte der Italiener. Denn der Vatikan wusste ja: ›Gott wird die Seinen erkennen‹ . Jetzt stand er vor dem Münster, das einst die uneingeschränkte Macht der katholischen Kirche symbolisiert hatte und nun vom Ketzer-Gott der Reformation beherrscht wurde.
    Nachdem Roberto einen Moment vor dem eindrucksvollen gotischen Hauptportal des Gotteshauses innegehalten hatte, betrat er den stillen und schummerigen Innenraum der dreischiffigen Kirche, um für die verlorenen Seelen der Reformation zu beten. Außerdem wollte er seinen beiden Opfern ein wenig Zeit für ihr Gespräch lassen, um so das eine oder andere aus dem Alten herauszupressen. Denn zuerst werde er sich um den Exoten kümmern, da er schon immer eine Schwäche fürs Exotische hatte, vor allem für Ketzer wie Juden, Kopten bis zu den Freimaurern, eben solche, die nicht nur mit den Katharern unter einer Decke steckten.
    Aber einen Morisken – diese Art von Irrgläubigen war ihm bisher erst ein Mal untergekommen.
    Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken, als er sich an all die Leiden erinnerte, die er dem schwarzen Häretiker zugefügt hatte. Dennoch, die qualvollen Schmerzen hatte er ihm nur deshalb bereiten müssen, um ihn wieder in die göttliche Nähe Jesu zu führen. Oh, welche Marter müsste ein wahrer Christ zur Vergebung seiner Sünden über sich ergehen lassen, hätte Jesus Christus sie nicht auf sich genommen.
    All sein Blut hatte er für uns vergossen, um uns von unseren Sünden zu reinigen. Genauso vergoss auch er das Blut all jener gottlosen Ketzer, um sie an den wahren Glauben, an das qualvolle Leiden Jesu Christi heranzuführen. Bei dem Gedanken überkam ihn eine große Befriedigung. Überwältigt vom Augenblick der göttlichen Fügung dankte er Gott für diesen bedeutungsvollen Tag. Dann bat er ihn um Beistand gegen die Dämonen und alles andere, das sich ihm im Kampf um den wahren Glauben in den Weg zu stellen wagte.
     
    Beim Verlassen des Kirchenbaus durch die romanische Galluspforte streifte sein Blick die archaischen Figuren, die  stilisiert das Kirchenportal zierten. Im Bogenfeld des Portals thronte Christus als erhabener Gottkönig und Weltenrichter, von Engelschören und Aposteln umgeben, am Tag des Jüngsten Gerichts. Die Darstellung ließ ihn edelmütig an den triumphierenden Christus-Richter denken, in dessen Namen Roberto, als sein Knecht, die Strafen vollzog.
    Dann überquerte er die Pfalz, den
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