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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition)
Autoren: Christoph Saurer
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Fabeltier das Stadtwappen in den Krallen, den stilisierten Bischofsstab, schwarz auf weißem Grund. Doch heute, so war dem Italiener bewusst, wurde dieses Stadtwappen keineswegs mehr als ein Zeichen der Unterordnung und der bischöflichen Macht verstanden. Denn Kirche und Papst hatten ihre einstige Stärke und Macht verloren, sodass es jetzt an den Auserwählten lag, das zu retten, was noch zu retten war. Es ging darum, die Werte der Kirche zu schützen und die Macht des Vatikans zu bewahren. Als ein Auserwählter war Roberto sich der päpstlichen Gunst bewusst und stolz auf seine Leistungen. Auch dieses Mal werde er keinen Augenblick zögern, den unerwünschten Geist zu beseitigen.
    Er ließ seinen Blick über die schmale Straße wandern, bis er das gesuchte Haus erspähte. Doch was er dort sah, gefiel ihm gar nicht. Vor dem Eingang stand ein hoch gewachsener Mann. Roberto war gerade rechtzeitig gekommen, um noch zu sehen, wie er in dem betreffenden Haus verschwand. Mit einem Expertenblick hatte er sich den Mann eingeprägt, seine sportliche Gestalt, den kahlen Kopf und den dunkelhäutigen Nacken. Irgendwie, so hatte er den Eindruck, kam ihm dieser Typ bekannt vor. Als er beim Hineingehen für einen Moment das Profil des Mannes gesehen hatte, wusste er instinktiv, wo ihm ein solcher Mann schon einmal begegnet war. Vor seinem geistigen Auge sah er nun den Ketzer vor sich, der ihm vor einigen Jahren in der schwarzen Kutte eines Benediktinermönches über den Weg gelaufen war. Der unselige Anblick des Mannes dort vor der Tür bestätigte ihn in seiner Annahme, einen Dämon moriskischer Herkunft vor sich zu haben. Dies war unter allen Umständen ein sehr schlechtes Zeichen. Er ging weiter, als sei nichts geschehen, und zog ruhig sein Mobiltelefon aus der Tasche.
     
    * * *
    Gabriel folgte Dr. Bernard in sein kleines, aber gepflegtes Haus. Sie durchquerten die Diele, an deren Wänden eine etwas vergilbte Tapete hing, und betraten ein gemütliches Ess- und Wohnzimmer, wo dem Besucher zahllose Dinge ins Auge sprangen. Viele der Gegenstände, die hier verstreut herumlagen oder -standen, wirkten recht skurril. Das Zimmer vermittelte den Eindruck eines historischen Museum, in dem die Ausstellungsstücke allerdings ein wenig durcheinandergeraten waren. Mit einem flüchtigen Blick erkannte Gabriel, dass einige der Stücke durchaus wertvoll waren. Es gab geschnitzte Truhen aus China, Buddhastatuen aus Thailand, Skulpturen aus Nepal, Indien und Ägypten, barocke Möbel sowie einige kurios wirkende mittelalterliche Dinge aus Europa. Auf einem der beiden großen Sessel, die vor einem prallgefüllten Bücherregal standen, bemerkte er jetzt auch einen grauen Bastard mit merkwürdigen Ohren, der aussah wie die Kreuzung zwischen einem Boxerhund und einem Gremlin aus einem von Spielbergs Filmen. Unvermittelt musste Gabriel an die mittelalterlichen Skulpturen am Basler Münster denken, an denen er eben vorbeigelaufen war. Der scheußliche Hund begann plötzlich heftig zu bellen und flüchtete dann in ein anderes Zimmer.
    »Nehmen Sie es nicht persönlich, er ist zu allen so«, sagte Bernard mit einem freundlichen Lächeln und wies zum Tisch, der in einer Ecke des Zimmers stand. »Setzten Sie sich doch, ich habe gerade ein Frühstück vorbereitet. Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
    »Vielen Dank, gefrühstückt habe ich schon«, antwortete Gabriel und erwiderte den freundlichen Blick, »aber eine Tasse Kaffee ist mir immer willkommen.«
    Bernard nahm die Kaffeekanne, die auf dem Tisch stand, und goss die dampfend heiße Kaffeebrühe in eine zweite Tasse, die er aus einem Schrank hervorgeholt hatte. Ein wohlriechender Kaffeeduft begann sich im Zimmer auszubreiten.
    »Achten Sie nicht auf meine Ordnung, ich lebe allein. Meine Tochter hat ihr eigenes Quartier und meine liebe Frau ist schon vor Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Nun, wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, Sie kennen die Strophe aus der Lauda Sion, ich glaube, Thomas von Aquin hat diese Zeilen im Jahr 1264 verfasst. Können Sie noch mehr zitieren?«
    »›Quod non capis, quod non vides, animosa firmat fides, præter rerum ordinem‹«, gab ihm Gabriel zur Antwort.
    »Zu Deutsch: ›Was das Auge nicht kann sehen, der Verstand nicht kann verstehen, sieht der feste Glaube ein.‹ Sie sind doch hoffentlich nicht einer von diesen Priestern, die ein verirrtes Schaf zur Herde zurücktreiben wollen?«, fragte er Gabriel schmunzelnd. »In diesem Fall müsste ich Sie bitten,
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