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0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

Titel: 0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang
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Der Kerl war einen Kopf kleiner als ich und hatte mich schon dreimal auf die Bretter geschickt. Er wog zehn bis fünfzehn Pfund weniger, aber er kannte die hinterhältigsten schmutzigsten Tricks, die sich denken ließen. Als ich das vierte Mal mühsam wieder hochkam, schüttelte er verwundert seinen Geierkopf und stieß atemlos hervor:
    »Sie sind ein zäher Bursche, G-man!« Mir lief der Schweiß in kleinen Rinnsalen an der Stirn, an den Schläfen, am Hals und im Genick herunter. Das Hemd klebte mir am Oberkörper. Meine Lungenflügel pumpten wie wild. Vor Atemnot brachte ich keine Antwort heraus. Wo in meinen Beinen einmal Muskeln gewesen waren, schien jetzt Blei zu lasten. Außer in den Knien. Dort gab es nur noch Gummi. Ich hatte verdammt Mühe, nicht wegzuknicken wie ein Schilfrohr. Keuchend rang ich nach Luft, während ich ihn beobachtete.
    Er hieß William Gore, war knapp vierzig Jahre alt und mußte gut die Hälfte davon in Jugendbesserungsheimen, Erziehungsanstalten und Gefängnissen zugebracht haben. Er gehörte zu der seltenen Sorte der ewig reisenden Verbrecher, die je nach Gelegenheit zwischen kleinem Diebstahl und skrupellosem Raubmord jede Untat begingen, aber meistens schneller wieder auf Achse waren, als man die Tat entdecken konnte. Dabei sah er so schmächtig aus, als ob ihn ein Luftzug umpusten könnte.
    Ich wischte mir mit dem Rücken der linken Faust über den Mund. Irgendwann hatte ich mir in die Lippe gebissen, und jetzt spürte ich den salzig-bitteren Geschmack meines Blutes. Seine kleinen hellbraunen tückischen Augen verfolgten jede meiner Bewegungen.
    Kauf ihn dir, redete ich mir zu. Das darf einfach nicht wahr werden, daß ein Handtuch wie der da einen gut ausgebildeten G-man ohne irgendeine Waffe, ohne Revolver, ohne Messer, ohne irgendwas einfach züsammenschlägt wie einen frechen Schuljungen. Das gibt es nicht. Irgendwie mußt du mit ihm fertig werden. Also los doch, alter Junge!
    Langsam walzte ich zu ihm hin. Ich hätte es gern schneller getan, aber meine Beine spielten nur noch zögernd mit. Gore .wich geschickt vor mir zurück, zwar auch ein bißchen außer Atem, aber noch immer in einer weitaus besseren Verfassung als ich. Nur noch zwei bis drei Schritte war ich von ihm entfernt, als er urplötzlich die Initiative wieder an sich riß.
    Als er mit der geballten Rechten vorkam, zuckte mein Kopf unwillkürlich zur Seite weg — und damit lief ich ihm geradezu in seine darauf wartende Linke. Er hatte sie nicht zur Faust geballt. Er wollte keinen Boxhieb schlagen. No. Er kam wieder mit einem seiner verdammten schmutzigen Tricks, die selbst auf der FBI-Akademie in Quantico niemand zu kennen schien. Jedenfalls hatten sie uns nie auf so etwas vorbereitet.
    Die Wirkung war unbeschreiblich. Tief im Innern meines Kopfes schien es einen dumpfen Knall zu geben. Ich taumelte in der Gegend herum und wußte buchstäblich nicht mehr, wo unten und oben war.
    Verschwommen sah ich, wie er mir folgte. Aber vor meinen Augen kurvte alles derart durcheinander, daß ich nichts als Luft griff, als ich Gore packen wollte. Und dann kam sein nächster Schlag.
    Vor meinen Augen breitete sich mit einem Male ein dunkler werdendes Violett aus mit ein paar rasenden Feuerrädern darin. Ein endloser Abgrund war plötzlich da, ich stürzte ins Bodenlose, und aus dem Violett wurde ein tiefes, alles auslöschendes Schwarz, in dem mein Bewußtsein unterging.
    ***
    Der Streckenwärter Michael Edwards ging vom östlichen Güterbahnhof Detroits langsam in westliche Richtung. In der letzten Zeit hatten sich die Klagen der Lokomotivführer gehäuft:
    »Mike, sieh dir mal die Strecke nach Cripsie an! Da lagen Steine auf den Schienen. Verdammte Schweinerei!«
    Ein anderer knurrte:
    »Mike, wofür kriegst du eigentlich dein Geld? Auf der Strecke nach Cripsie lag eine irgendwo herausgerissene Plakattafel. Ich mußte wie ein Verrückter bremsen, bis ich erkennen konnte, was es war. Tu endlich mal was, zum Teufel!«
    Die hatten gut reden. Die Strecke bis hinunter nach Cripsie war neun Meilen lang, und man kann neun Meilen nicht vierundzwanzig Stunden am Tag im Auge behalten, wenn man allein ist. Trotzdem versuchte Michael Edwards alles, um die Übeltäter wenn möglich gar auf frischer Tat zu ertappen. Innerhalb einer einzigen Woche war er die Strecke schon sechsmal abgegangen und immer zu anderen Zeiten.
    Wahrscheinlich sind es Schuljungen, sagte er sich. Nicht gerade aus den untersten Klassen, denn die haben noch nicht genug
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