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0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

Titel: 0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang
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uns.
    Tony ließ sich die Zigarre schmecken und schwärmte von dem schönen Winter auf der Farm in New Mexico. Ich trank ab und zu einen Schluck Wermut, weil ich nicht in letzter Minute auffallen wollte. Natürlich trank auch Tony.
    »Warum heißt du eigentlich Bananen-Tony?« fragte ich irgendwann einmal.
    »Weil ich mal eine Zeit hatte, wo ich einfach verrückt nach Bananen war. Das blieb an mir hängen. Mensch, Bruder, ist das ein Leben? Eine gute Zigarre, ein guter Zug, einen guten Schluck und gutes Wetter. Was will der Mensch mehr?«
    »Na«, sagte ich. »Ein gutes Mädchen wäre auch nicht zu verachten.«
    Tony machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Ich mach’ mir nichts aus Weibern«, sagte er.
    Und sein Blick ging durch alles hindurch.
    ***
    »Der Zug kommt in zwanzig Minuten«, sagte Phil und legte das kleine Sprechfunkgerät beiseite. »Hoffentlich hält sich das Wetter so lange.«
    Mr. Clenswood schob das Geäst auseinander und blickte zum Himmel.
    »Ist denn das von Bedeutung?« fragte er.
    »Erstens würde sich ein Mädchen bei Regen wohl kaum auf der Wiese aufhalten, wenn sie hier unter den Bäumen Schutz finden könnte«, erklärte Phil, »und zweitens weiß man nicht, ob er bei Regen überhaupt abspringen würde.«
    »Dann«, sagte Mr. Clenswood inbrünstig, »dann wollte ich, daß es in Strömen gießt.«
    Diana Clenswood hockte auf einem Baumstumpf. Sie sah ein wenig blaß aus, hielt sich selber aber tapfer, wenn man in Erwägung zog, auf was sie sich gleich einlassen wollte. Ab und zu streifte ihr Blick die FBI-Agenten, die im Laufe des Tages gekommen waren und sich in dem Wäldchen neben dem Bahndamm versteckt hatten. Es waren ausnahmslos ernste, vertrauenerweckende Männer, die ihre Gewehre gründlich geprüft hatten. Diana, ihr Vater, Hank und selbst die Mutter waren dabei gewesen, als die Gewehre ausprobiert wurden. Vielleicht hatte es niemals so viele ausgezeichnete Schützen zusammen gegeben. Dennoch war Mrs. Clenswoods Gesicht grau vor Angst.
    Phil sah wieder auf die Uhr und öffnete dann den kleinen Koffer, den einer der G-men mitgebracht hatte. Er nahm eine Flasche Whisky mit einem Schraubbecher heraus, schenkte ein und hielt ihn dem Mädchen hin.
    »Whisky?« rief Mr. Clenswood unwillig. »Warum denn das?«
    Phil sah das Mädchen an, die Frau und zuletzt den Vater.
    »Hören Sie, Mr. Clenswood«, sagte er in freundlich eindringlichem Ton. »Wir wollen uns nichts vormachen. Natürlich hat Ihre Tochter jetzt sehr schwere Minuten durchzustehen. Ich meine nicht nachher, wenn es soweit ist. Ich meine jetzt, dieses nervenzermürbende Warten. Wir kennen das, es gehört zu unserem Beruf, und wir wissen auch, wie einem die Angst im Genick sitzen kann. Es hat keinen Sinn, so tun zu wollen, als ob man keine Angst hätte. Und der Whisky wird ihrer Tochter helfen, die Angst zu bekämpfen und sie selbst zu bleiben. Das ist wichtig, daß sie ganz sie selbst bleibt.«
    »Verdammt«, sagte Diana mit rauher Stimme, »ich würde diesen Whisky jetzt auch trinken, wenn du es mir nicht erlauben würdest, Daddy.«
    Sie kippte den kleinen Becher mit einem Zug, prustete, rieb sich Tränen aus den Augen und stöhnte:
    »Lieber Gott, schlimmer kann das nachher auch nicht werden.«
    ***
    Es war ein Spiel, bei dem die Chancen fünfzig zu fünfzig standen.
    Als die Zeit näher und näher rückte, war er zusehends angetrunken. Ich steckte mir wieder einmal eine Zigarette an, als die Lokomotive pfiff und merklich die Geschwindigkeit drosselte.
    »Wa—was ist los?« fragte Tony und sah zum Seitenfenster des Bremserhäuschens hinaus.
    »Gleisarbeiten«, sagte ich. »Das Werkzeug liegt noch auf geschichtet, also kommen sie morgen früh wieder.«
    »Gut«, sagte Tony. »Sie sollen die Gleise schön in Schuß halten, damit man bequem reisen kann, was, Bruder?«
    »Das sollen sie«, bestätigte ich nickend. »Früher bin ich mal mit meiner Mutter in der Eisenbahn gefahren. An jeder Station wollte ich wissen, ob wir noch lange weiterfahren müßten. Bist du auch mal mit deiner Mutter verreist?«
    Ging in seinem Gesicht wirklich eine Veränderung vor, oder redete ich mir das nur ein? Auf einmal kam es mir vor, als sähe er viel jünger aus. Ich wußte, daß jeden Augenblick das Mädchen neben dem Schienenstrang auftauchen mußte. Tonys Stimme war leise und irgendwie heller, kindlicher, als er versonnen sagte:
    »Mammy… Wenn ich sie nur finden könnte. Die Leute wollten mir einreden, daß sie tot wäre. Aber das stimmt
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