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0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

Titel: 0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang
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war früher Morgen. Das Männchen vor mir mußte Bananen-Tony sein, der in Cheeseaville mit mir zusammen in der Ortszelle im Sheriffbüro gesessen hatte. Seine grauen Augen glitzerten lustig, während er selbst den Rest Wermut austrank.
    »Zwei Tage«, sagte ich. »Wann bist du angekommen?«
    »Hier? Ich bin von Anfang an dabei. Ich habe dich gesucht.«
    »Warum?«
    »Ich wollte mal hören, was du in den nächsten Wochen so vorhast.«
    Verblüfft sah ich ihn an. Es kam selten genug vor, daß sich Tramps gegenseitig ausfragten. Noch seltener war es, däß sie auf Wochen im voraus planten. Unter normalen Umständen konnten sie das gar nicht. Wer wußte schon, wohin ihn der nächste Zug bringen würde?
    Ob es einer von den Kollegen ist, schoß es mir durch den Kopf.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich vage. »Ich habe nichts Bestimmtes vor. Höchstens, daß ich ein bißchen in warme Gegenden will. Das tun doch die meisten.«
    »Ich auch«, versprach er. »Ich mach runter nach New Mexico. Ich kenne da einen Farmer, der läßt mich überwintern.«
    »Mit Arbeit und so?« fragte ich.
    »Keine Angst! Wir brauchen nicht zu schuften. Hier und da mal mit zugreifen, ja, aber nicht schwitzen. Der Farmer ist Junggeselle und ganz allein. Alle Reparaturen, wo mehr als zwei Hände nötig sind, läßt er für den Winter, und dabei gehe ich ihm dann ein bißchen zur Hand. Solange es kalt ist, habe ich dafür ein herrliches Nest in der Scheune und zu essen, soviel ich vertragen kann.«
    »Da bist du gut dran.«
    »Komm doch mit!«
    Verglichen mit dem Landstreicherleben hörte sich das sehr hübsch an, aber ich konnte doch nicht den ganzen Winter über Pause machen. Ich mußte auf den Zügen bleiben.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »So lange Zeit an einem Ort, das ist nicht das Richtige für mich.«
    »Die Kälte ist schlimmer. Du wirst es sehen. Komm mit. Der Farmer ist ein netter Kerl, bestimmt. Und du brauchst wirklich nicht viel zu arbeiten. Kannst es mir glauben.«
    Es war verrückt. Jeder andere Tramp hätte vermutlich sofort eingeschlagen, wenn ihm ein solches Angebot gemacht worden wäre. Nur ich durfte es nicht annehmen. Dabei bettelte Tony fast darum. Sein zerfurchtes Gesicht war mir zugewandt, und er wiederholte seine Einladung dringlicher.
    »Ich lasse es mir durch den Kopf gehen«, versprach ich, um ihn erst einmal zu vertrösten. »Wann willst du denn los?« .
    »Morgen abend oder übermorgen früh. Heute abend ist Schluß hier mit dem Treffen, da sind die nächsten Züge aus verkauft, das kannst du dir ja denken. Manchmal machen sich die Bullen einen Spaß daraus, so einen Zug zu stoppen und alle hopszunehmen. Deswegen warte ich lieber einen Tag länger.«
    »Wir sehen uns ja heute abend. In welcher Höhle bist du?«
    »Mal hier, mal da. Wollen wir eine Stelle ausmachen, wo wir uns treffen können?«
    Ich mußte versuchen, die Männer ein zweites Mal zu belauschen, die den Banküberfall planten. Aber um Tony nicht mißtrauisch zu machen, verabredete ich mich mit ihm für eine der Höhlen, denen die Tramps sinnige Namen gegeben hatten. Danach streckten wir uns beide wieder im Gras aus und schliefen, gewärmt von der Sonne.
    Am Nachmittag suchten wir uns in den Höhlen etwas zu essen. Fast jeder Tramp hatte für das Fest ein Bündel Vorräte mitgebracht, aber am letzten Tag wurde es bereits spürbar weniger.
    Und es gab nur noch selten die Aufforderung, an einem Feuer Platz zu nehmen und mitzuessen.
    Um sieben Uhr abends — meiner Schätzung nach — sagte ich zu Tony:
    »Ich gehe mal hinunter in die Stadt.«
    Nach der allgemeinen Ausdrucksweise hier hieß das einfach, daß man betteln oder gar stehlen gehen wollte.
    »Hast du etwas Besonderes vor?« fragte er.
    »Nein. Nur mal sehen, wo’s langgeht.«
    »Laß dich nicht erwischen.«
    »Keine Angst.«
    »Es bleibt doch bei unserer Verabredung?«
    »Klar doch«, sagte ich und fühlte, daß er mir nachblickte.
    Seine Anhänglichkeit konnte sich daraus erklären, daß er die Einsamkeit leid geworden war, daß er für die nächsten Monate einen Kumpel haben wollte. Oder konnte es einen anderen Grund geben? Und welchen?
    Ich schlich mich davon, aus den Höhlen hinaus und draußen durch die Gruppen der Tramps, die vor den Eingängen beisammen saßen. Mit einem weiten Bogen kehrte ich an die Stelle zurück, wo ich in der letzten Nacht das Gespräch belauscht hatte. Ich kroch so tief in ein nahes Gestrüpp hinein, wie es nur ging. Dann richtete ich mich auf ein langes Warten ein.
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