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0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang

Titel: 0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang
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unterwegs war, und zwar, wie es schien, in allen Teilen der USA und ohne jeden vernünftigen Reiseweg. Zugpersonal schied aus. Unsere Eisenbahnen sind Privatbesitz, und die einzelnen Gesellschaften befahren nur immer begrenzte Gebiete, während unser Mörder im Norden und im Süden, im Westen wie im Osten seine Opfer gefunden hatte. Wenn nicht an Wunder grenzende Dinge zusammentrafen, mußte der Täter ein Tramp sein. Und wer als Tramp auch nur zwei Jahre hinter sich hatte, der erschien in Eagleness zum »Tramp's Lane«.
    Natürlich traf ich hier und dort einen Burschen wieder, den ich schon irgendwo auf einem Güterbahnhof oder in einem Bremserhäuschen gesehen hatte. Man erzählte sich etwas, trank Wermut miteinander und ging wieder seiner Wege. Über Phil hatte ich von den Hinweisen erfahren, die unsere Experten-Kommission erarbeitet hatte. Sie brachten den Vorteil mit sich, daß man eine Menge Männer aussondern konnte. Wer groß, breitschultrig und schwer war, stand außerhalb jedes Verdachts. Höchstgewicht hundertfünfunddreißig Pfund ist für einen Mann nicht eben viel.
    Der »Eisenbahnmörder« war tatsächlich Thema Eins unter den Tramps. Sie alle hatten unter diesem Phantom zu leiden. Die Kontrollen auf den Strecken, den Güterbahnhöfen und in den Zügen selbst waren überall verstärkt worden. Wo ein Tramp aufgegriffen wurde, war es mit den üblichen kleinen Schikanen nicht mehr getan. Beinahe jeder von ihnen gab zu, daß man ihm in den letzten paar Wochen ein paarmal Fingerabdrücke abgenommen und seinen Reiseweg genauestens nachgeprüft hatte, bevor man ihn wieder laufen ließ. Manche hatten ein paar Wochen in Gefängnissen zubringen müssen, weil ihre Überprüfung so lange gedauert hatte.
    »Ich glaube nicht, daß es ein Tramp ist«, sagte einer der Burschen, mit denen ich mich darüber unterhielt. »Die wollen bloß mal wieder uns die Geschichte in die Schuhe schieben. Wir sind doch der Sündenbock für jeden kleinen Quatsch, der im Zusammenhang mit einer Eisenbahn passiert. Klemmt irgendwo eine Weiche, heißt es prompt: Muß ein Tramp dran gedreht haben. Reißt ein Signaldraht, muß ihn ein Tramp zerschnitten haben. Immer sind wir die Schuldigen. Genauso ist es mit diesem Mörder. Wer weiß, was für ein Kerl es ist? Niemand weiß es. Die Polizei tappt völlig ahnungslos herum. Aber bloß weil die Leichen immer mehr oder weniger nah an einer Eisenbahnlinie gefunden werden, muß es gleich einer von uns sein.«
    »Wenn es wirklich jemand von uns wäre«, knurrte ein uralter Kerl mit einem schlohweißen Vollbart, »dann würden wir den Kerl schon selber am nächsten Signalmast aufhängen. Nicht weil wir Freunde von den Bullen der Polizei wären, weiß Gott nicht. Bloß damit endlich wieder ein normales Leben auf der Eisenbahn einsetzt.«
    Diese Äußerung brachte mich auf einen Gedanken. Normalerweise halten wir nichts davon, unsere Kenntnisse von einem Täter preiszugeben und ihn damit womöglich zu warnen. Aber wenn diese Warnung in unserem Falle dazu beitragen konnte, den Täter von weiteren Morden abzuhalten, so war schon viel erreicht. Die Ermittlungen aller beteiligten Mordkommissionen liefen in allen Fällen auf Hochtouren, früher oder später würde man den Täter schließlich doch so weit eingekreist haben, daß seine Überführung möglich wurde, und folglich konnte es ein Wettlauf mit der Zeit werden.
    »Das scheint nicht zu stimmen, daß die Polizei so gar nichts von ihm weiß«, sagte ich mit gleichmütiger Stimme.
    Alle sahen mich plötzlich an. Der Alte wischte ein paar Wermuttropfen aus dem Bart und fragte:
    »Wieso? Meinst du, sie wissen etwas von dem Kerl?«
    »Ja«, bestätigte ich. »Mein Bruder jn New York —«
    »Augenblick mal«, fiel mir der Alte ins Wort. »Bist du etwa Telefon-Jerry?«
    »Ja.«
    »Woher nimmst du dauernd das Geld, um mit deinem Bruder zu telefonieren? Ferngespräche sind verdammt teuer.«
    Irgendwie war in dem Kreis, der sich um unser Lagerfeuer angesammelt hatte, plötzlich ein spürbares Mißtrauen aufgekommen. Ich zuckte mit den Achseln und gab meine Antwort so gelassen, wie es nur ging.
    »Ich sage immer nur die Nummer durch und warte dann auf den Rückruf. Mein Bruder hält zwar nichts von dem schwarzen Schaf in der Familie, aber er läßt sich auch keine Gelegenheit entgehen, mir eine Predigt zu halten.«
    Ein paar lachten. Eine alte, grauhaarige Schlampe kreischte schrill:
    »Sein Bruder ist Prediger! Er soll uns was vorpredigen! Los
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