Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition)
Autoren: Christoph Saurer
Vom Netzwerk:
leiser werdenden Schritte durch die leeren Gänge hallen, dann herrschte eine tiefe Stille. Nach einer Weile kramte sie ihr Handy hervor. Sie wollte die Nummer von Inspektor Rey wählen, doch ein Blick auf das Display sorgte für Ernüchterung.
    »Kein Netz«, sagte sie leise und warf das Gerät entmutigt auf eines der Betten. Dann ließ sie sich mit einem Seufzer auf das Zweite fallen, dreht sich erschöpft auf den Rücken und starrte an die Decke des Gewölbes. »Du hast doch nicht wirklich etwas anderes erwartet, oder?«, murmelte sie enttäuscht.
    Nach einer Weile hörte sie, wie sich Schritte näherten. Alina setzte einen Ellbogen auf die Bettkante und stützte ihr Gesicht in eine Hand. Stumm schaute sie angespannt zur Tür, die noch immer einen Spalt breit offen stand. Dann weiteten sich ihre Augen, als sie überrascht sah, wer nun ins Zimmer trat.
     
    * * *
    Sandino wurde von den Tiraboleiros zahlreiche Treppen hinuntergeführt. Dann standen sie vor einer mit Eisen beschlagenen Tür, die aussah wie der Eingang zu einer mittelalterlichen Schatzkammer, hinter der sich ein majestätischer, unterirdischer Versammlungsraum auftat. Er war groß wie ein Refektorium, wie der Speisesaal in einem Kloster, und unter den Arkaden links und rechts mit zahlreichen Rüstungen und mittelalterlichen Waffen geschmückt. Schwere Lampen hingen von der Decke des Gewölbes und tauchten den Raum in ein feierliches Licht. Die mit Rauch geschwängerte Luft und die kaum heruntergebrannten Fackeln und Kerzen verrieten Sandino, dass sie erst vor Kurzem angezündet worden waren.
    Am Kopf einer langen Tafel thronte unter einem massiven Holzkreuz Josef Kardinal Walter mit starrem Blick. Vor ihm auf der Tafel lag das lebensgroße Abbild eines gefolterten Jesus. Neben dem Kardinal stand ein etwas unscheinbarer, in die Jahre gekommener Priester mit einem kalten ausdruckslosen Gesicht. Mit einer Handbewegung gab er den Tiraboleiros zu verstehen, den Raum wieder zu verlassen, was sie in Anerkennung der Autorität des Priesters umgehend taten.
    Sandino trat langsam an den Tisch heran, während ihn der Kardinal mit unbeweglichem Blick entgegenstarrte. Als Sandino seinen unnatürlichen Gesichtsausdruck wahrnahm, hielt er erschrocken inne.
    »Was ist hier los?«, fragte er verwirrt.
    »Nimm Platz«, forderte ihn der Priester unwirsch auf, doch Sandino blieb verunsichert stehen.
    »Was ist dem Kardinal zustoßen, er wirkt so leblos?«
    »Eine Strafe Gottes!«, antwortete der Priester mit hohler Stimme. »Er hat Gott verraten und seine Seele einem Dämon verschrieben. Ich bin sein Henker.«
    »Was gibt dir das Recht, sein Henker zu sein?«, entfuhr es Sandino.
    »Gott selbst. Ich bin der Knecht Gottes.«
    »Seit wann bringt Gott die Frommen um, wie ein Gottloser?« Sandino traute noch immer seinen Augen nicht.
    »Gott will es so. Er will durch mich alles richten, das Gute oder das Böse.«
    Sandino schüttelte verständnislos den Kopf. Er schwieg bedrückt, bevor er leise zu reden begann. » Immer wieder sind wir imstande, bösartig zu handeln, weil wir an Trugbilder glauben. Immer wieder versuchen wir, unser Fehlverhalten jemand anderem als uns selbst in die Schuhe zu schieben. Immer wieder suchen wir jemanden, den wir für unser Fehlverhalten opfern können. – Einen Jesus, den wir an unserer Stelle als Sühneopfer ans Kreuz geschlagen haben, oder auch einen herrischen Gott, der es so will , doch wir selbst haben damit nichts zutun. – Wir wollen über unsere Unzulänglichkeiten einfach hinwegsehen, doch wir selbst sind die Verursacher und nicht irgendein Gott.«
    »Ist das alles, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast, Ketzer? Du hast nicht nur dein eigenes Todesurteil gesprochen, du hast auch seines besiegelt«, sagte der Priester mit einem verächtlichen Lächeln auf den Lippen. Mit einem kurzen Ruck zog er ein Messer aus der Rückenlehne des Stuhls, auf dem der Kardinal saß, und warf es mit seiner blutigen Klinge direkt vor Sandino auf den Tisch.
    Fassungslos wich Sandino zurück. Er wollte sich bestürzt ereifern, konnte jedoch den Blick nicht von dem mit Blut besudelten Messer abwenden. Dann schien der tote Körper des Kardinals seinen Halt zu verlieren, sank in sich zusammen und rutschte vom Stuhl. Sandino ballte die Faust und überlegte benommen, ob dies der richtige Augenblick wäre, sie in die Gespensterfratze des Mannes zu graben, der nun vor ihm stand und ihn mit seinem eiskalten Blick durchbohrte. Doch bevor er dazu kam, traf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher