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Voyeur

Titel: Voyeur
Autoren: Simon Beckett
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sonst nichts.»
    «Du bist echt ein kleinlicher alter Sack, oder?» Er klemmte es sich unter den Arm und ging in den Flur. Ich folgte ihm und
     machte die Tür auf. Nicht aus Höflichkeit, sondern weil ich es kaum erwarten konnte, sie hinter ihm zu schließen.
    «Wirst du dich mit Anna treffen, wenn du zurück bist?», fragte ich.
    Er runzelte die Stirn. «Mit wem?»
    «In dem Fall muss ich dich wohl nicht bitten, nie wieder in die Galerie zu kommen.»
    «Ich wüsste nicht, was mir mehr zuwider wäre. Abgesehen von dir.» Zeppo ging die Stufen hinunter. «Noch ein schönes Leben,
     Donald.»
    Ich schloss die Tür.
     
    *
     
    Bis Mitte der Woche ging ich nicht in die Galerie. Ich rief Anna an und sagte ihr, ich sei krank. Es war komisch, mit ihr
     zu sprechen. Sie klang so wie immer, als wäre nichts geschehen. Ich hatte das Gefühl, als wäre sie jemand, den ich |379| schon lange kenne, zu dem ich aber den Kontakt verloren habe.
    Mittwoch war mir klar, dass ich sie nicht länger davon abhalten konnte, mich zu besuchen. Da ich ihr lieber bei der Arbeit
     als in der Privatsphäre meiner Wohnung gegenübertreten wollte, fuhr ich hin. Sie war sehr fürsorglich. Beinahe erdrückend.
     Es war nicht leicht, freundlich zu bleiben.
    «Was ist aus der Sammlung Ihres Freundes geworden?», fragte sie. «Der ausgeraubt wurde», fügte sie hinzu, als ich sie verständnislos
     anschaute. Es dauerte einen Moment, ehe ich wusste, von wem sie sprach.
    «Ach so   … es war nicht so schlimm, wie er dachte», sagte ich ausweichend.
    «Hat die Polizei schon etwas herausgefunden?»
    «Nein, noch nicht.»
    Sobald ich konnte, verschanzte ich mich im Büro. Anna schien meine Laune zu spüren und ließ mich in Ruhe. Aber ich konnte
     nicht für immer dort bleiben. Nach einer Weile ging ich wieder hinunter und rang mir ein Lächeln ab, während ich ihr versicherte,
     dass mit mir alles in Ordnung sei. Sie machte sich wieder an die Arbeit, und wenn sie sich über ihren Schreibtisch beugte,
     schaute ich manchmal verstohlen hinüber. Sie hatte ein knappes Oberteil an, das ihre Brüste kaum verhüllte. Da sie keinen
     BH trug, schaukelten sie heftig, wenn sie sich bewegte. Ihre Oberschenkel lagen platt auf dem Stuhl und wirkten fleischig
     und plump. Sie trug Shorts, und ich konnte sehen, wie der Stoff im Schritt spannte. Ich musste an die entwürdigte Stelle
     dahinter denken und schaute weg.
    Als sie aufstand und durch den Raum ging, beobachtete |380| ich, wie sich ihr Körper bewegte. Beine, Arme und Brüste wirkten so drall und träge, dass ich mich fragte, warum mir das
     die ganze Zeit entgangen war. Plötzlich konnte ich hinter dieser jugendlichen Fassade ihre Mutter lauern sehen und das schlaffe
     Fleisch der Frau erahnen, zu der sie einmal werden würde. Sie drehte sich um, sah, dass ich sie beobachtete, und lächelte.
     Ihr Mund wurde breiter, und ich erinnerte mich, wie er sich gierig auf Zeppo gestürzt hatte. Mir fiel auf, dass er zu groß
     für ihr Gesicht war. Und ihre Lippen waren zu breit, fast gummiartig. Ich lächelte zurück.
    Die Bedenken, die ich gehabt hatte, bevor ich sie wiedersah, waren verflogen. Ich frage mich, warum ich mir überhaupt
     so viele Gedanken gemacht hatte. Sie war nur irgendeine junge Frau. Allein ihre hartnäckige Vertraulichkeit hielt mich davon
     ab, mich in meine alte, jetzt wieder reizvolle Isolation zurückzuziehen. Es war lästig, aber schon bald gelang es mir,
     mechanisch darauf zu reagieren, ohne davon berührt zu werden. Selbst ihre häufige Erwähnung von Zeppo ließ mich kalt. Wie
     sie gehörte er der Vergangenheit an. Und darüber wollte ich nicht länger nachdenken.
    «Haben Sie schon eine Postkarte von ihm bekommen?», fragte sie mich eines Tages.
    «Nein.» Ich sah mich genötigt, noch etwas zu sagen. «Und Sie?»
    Sie versuchte, gleichgültig zu klingen. «Nein. Ich nehme an, er ist zu beschäftigt. Oder sie kommt erst an, wenn er schon
     wieder zurück ist.»
    «Wahrscheinlich.»
    Später fragte sie: «Donald, ist alles in Ordnung?»
    «Natürlich. Wieso?»
    |381| Sie zuckte mit den Achseln. «Ach, nur so. Aber Sie wirken in letzter Zeit ein bisschen   … ich weiß nicht   … distanziert.»
    «Wirklich? Das tut mir leid. Mir geht im Moment eine Menge durch den Kopf.»
    «Kann ich Ihnen irgendwie helfen?»
    «Nein danke.» Spontan fügte ich hinzu: «Ein paar kleine finanzielle Probleme.»
    Sie sah besorgt aus. «Schlimm?»
    «Na ja   … schauen wir mal, wie es weitergeht.»
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