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Vorstadtkrokodile

Vorstadtkrokodile

Titel: Vorstadtkrokodile
Autoren: M von der Grün
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Metallrädern, die neben den Laufrädern angebracht waren. Das ging zwar langsam, war aber für den, der schob, eine große Erleichterung. Auch eine Bremsvorrichtung befand sich an jedem Rad, und wenn es bergab ging, bremste Kurt, damit der, der den Rollstuhl schob, nicht allein das Gewicht aufhalten musste.
    Vor dem Haus half Hannes mit, den Rollstuhl über die Rampe in den Hausflur zu schieben. Unterwegs hatte er genau beobachtet, wie das mit dem Rollstuhl gemacht werden musste, und hatte sich die Kniffe gemerkt, die notwendig waren, um das schwere Gefährt handhaben zu können.
    »Du machst das schon ganz gut«, lobte ihn Kurts Mutter, »in ein paar Tagen kannst du das allein.«
    »Das will ich auch«, sagte Hannes.
    »Da musst du aber schon noch ein paar Wurstschnitten mehr essen, wenn du das allein machen willst«, lachte Kurts Mutter.
    Im Hausflur wurde es dann doch schwierig, aber auch da besaßen Mutter und Sohn Übung. Die Frau ging einfach in die Hocke, Kurt schlang beide Arme um ihren Hals
und sie trug ihn in die Wohnung. Dort ließ sie ihn langsam zu Boden gleiten. Hannes trug die beiden Einkaufstaschen hinterher und er war nicht wenig erstaunt, als Kurt sich in der Wohnung allein fortbewegte; er robbte auf dem Fußboden, der mit Teppichboden ausgelegt war. Er zog sich mit beiden Armen einfach vorwärts und schleppte die Beine hinter sich her, und das nicht einmal langsam.
    Kurt hatte ein großes Zimmer mit einem breiten Fenster, von dem aus man ein Stück der alten Ziegelei sah. Auf weißen Regalen an der Wand standen eine Unmenge Spielzeugautos, auf dem Fußboden eine Hochgarage mit Waschanlage und elektrischem Aufzug, auf dem die Autos in die einzelnen Etagen befördert werden konnten.
    »Was arbeitet denn dein Vater?«, fragte Hannes.
    »Der ist Fahrer bei der Müllabfuhr«, antwortete Kurt. »Und deiner?«
    »Meiner ist Schleifer in der Maschinenfabrik. Meine Mutter war ein halbes Jahr krank, ist an den Krampfadern operiert worden. Jetzt geht es ihr schon wieder besser.«
    »Mein Vater hat im Wagen ein Sprechfunkgerät«, sagte Kurt, »da können sich die Fahrer alle miteinander unterhalten.«
    »Mein Vater kann keine Überstunden mehr machen und jetzt verdient er auch nicht mehr so viel«, sagte Hannes.
    »Meiner braucht da keine Angst zu haben, weil es doch immer Müll gibt«, antwortete Kurt. »Aber das Geld brauchen wir immer auf den letzten Pfennig, was glaubst du, was meine Eltern immer ausgeben müssen meinetwegen,
zahlt doch nicht alles die Krankenkasse. Meine Eltern müssen oft auf das Sozialamt laufen, damit sie Zuschüsse bekommen, dann ist mein Vater immer schlechter Laune, er sagt, bis die einem Geld geben, muss man einen Kilometer Formulare ausfüllen.«
    »Meine Mutter sagt immer, es wird niemandem etwas geschenkt«, antwortete Hannes.
    In seinem Zimmer war es Kurt möglich, sich selbst zu bewegen, er konnte sich allein in seinen Rollstuhl ziehen und dann durch das Zimmer fahren, er konnte auch allein zur Toilette, das brauchte zwar seine Zeit, aber er konnte es ohne fremde Hilfe. In der Wohnung hatte seine Mutter mit Kurt nur dann viel Arbeit, wenn er gebadet werden musste, das konnte sie nicht allein, sie wartete, bis ihr Mann nach Hause gekommen war.
    So viele Spielzeugautos hatte Hannes noch nie gesehen, nicht einmal in einem Spielwarenladen. Kurt und Hannes spielten mit den Autos und der Garage. Sie ließen die geparkten Wagen durch die Schnecke wieder aus der Garage herausfahren. Sie ließen die Autos auf der bunten Rennbahn, die am Fensterkreuz befestigt war, heruntersausen, dann schoben sie sie zum Tanken, denn unter der Hochgarage befand sich eine Tankstelle, die ebenfalls elektrisch funktionierte. In der Waschanlage war richtiges Wasser.
    »Bring doch deinen Hasen mal mit«, sagte Kurt.
    »Kann ich nicht, sonst läuft er weg. Wenn er wo fremd ist, dann wird er unruhig. Am besten, du kommst mal zu mir, mein Vater kann dich Huckepack tragen, wir wohnen auch im Parterre«, sagte Hannes.

    Kurts Mutter trat ins Zimmer: »Hannes, es ist Zeit, du musst nach Hause, sonst sucht dich deine Mutter.«
    »Kommst du wieder?«, fragte Kurt. »Ich bin jeden Tag ab vier Uhr zu Hause, am Samstag hab ich überhaupt keine Schule, da kannst du auch kommen.«
    »Natürlich komme ich wieder. Wenn ich darf?«
    »Selbstverständlich darfst du«, antwortete Kurts Mutter. »Du kannst jeden Tag kommen.«
    Hannes ging.
    Zu Hause wollte ihn seine Mutter ausschimpfen, weil er so lange weggeblieben war,
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