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Vor Nackedeis wird gewarnt

Vor Nackedeis wird gewarnt

Titel: Vor Nackedeis wird gewarnt
Autoren: Frank Charles
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aber nachdem sie Andy zu Bett gebracht hatten, gingen Bernie und Adele gemeinsam auf die Terrasse, um dort die kühle Frühlingsbrise zu genießen.
    »Na ja«, meinte Bernie, »jetzt sind wir also hier.«
    Adele nickte. »Ja«, meinte sie nur, »wir sind hier. Ist das nicht herrlich?«
    In der Abenddämmerung lag der Strand wie ausgestorben vor ihnen, und sie lauschten dem Rauschen des Meeres. Der Geruch von Meerwasser und Tang kitzelte ihre Nase, fremd im Vergleich zu dem Staub und Ruß in der großen Stadt. Sie freuten sich wie die Kinder.
    Er nahm ihre Hand.
    »Morgen muß ich in den Ort, um meinen neuen Rektor zu besuchen«, sagte er schließlich.
    Sie antwortete: »Und ich werde die Sachen auspacken.«
    So also machten sie die ersten Pläne zu diesem neuen Leben. Plötzlich aber löste ein Gefühl merkwürdiger Verzweiflung die Freude ab, die Adele zunächst empfunden hatte. Nur kurz, und wahrscheinlich die Folge dieser Entspannung nach einem ereignisreichen und aufregenden Tag. Die vielen neuen Eindrücke! Sie wußte für einen Augenblick nicht so recht, wie ihr zumute war. Eigentlich völlig grundlos, denn gerade sie war das Leben in London, in dieser engen, kleinen Wohnung so leid gewesen, ebenso wie den Krach und das gehetzte Leben in der Großstadt. Und jetzt, auf der Terrasse von Haus Seeblick, hatte sie plötzlich den Wunsch, nach London zurückzukehren, die ihr vertrauten Straßen zu durchwandern, die Freunde zu sehen, die ihr nahestanden, und die Geschäfte aufzusuchen, in denen sie Jahr .für Jahr eingekauft hatte.
    Gleichzeitig empfand sie eine unerklärliche Furcht vor diesem Haus. Die hereinbrechende Dunkelheit verstärkte dieses Gefühl noch, und sie fühlte sich allein. Sie dachte daran, daß sie hier niemanden kannte, daß die Geschäftsleute ihr völlig fremd waren. Sie würde die Hauptlast dieses neuen, anderen Lebens zu tragen haben. Die arrogante Nase und die kalten, blauen Augen des Commanders fielen ihr wieder ein, und sie fühlte sich in eine feindselige Umwelt verschleppt.
    Bernie, gefühllos wie alle Männer und praktisch überall zu Hause, setzte sich auf ein kleines Mäuerchen, und dann flammte in der Dunkelheit ein Streichholz auf, mit dem er seine Pfeife anzündete. Der Tabakrauch, der alte, liebgewordene und vertraute Geruch, überdeckte alle anderen Gerüche, die für Dymstable so typisch waren. So schnell, wie diese Traurigkeit Adele überfallen hatte, verließ sie sie auch wieder. Adele wußte plötzlich, daß sie in Haus Seeblick bestimmt sehr, sehr glücklich sein würde.
    Bernie fragte gleichgültig: »Froh, daß wir hierher gezogen sind?«
    »O ja«, meinte sie, »ja, ja, ja!«

Freunde und Nachbarn

    Bernie Charlton schlug die Augen auf, gähnte faul, und spielte mit seinen Zehen. Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte seinen Verdacht, daß es noch sehr früh war, und er verschwand tief unter der Bettdecke. Der Gedanke daran, daß heute Samstag war, tat gut. Man brauchte nicht aufzustehen und sich mit den harten Realitäten des Alltags herumzuschlagen.
    Er räkelte sich wohlig.
    Es gab, wie er fand, eigentlich nur eines, um sein Wohlbehagen zu vervollständigen, und zwar eine Tasse heißen Tee. Der Gedanke daran versetzte ihn in Trance. Heiß, süß, duftend und dampfend in einer Teetasse - der Himmel auf Erden. Aber sie mußte ihm ans Bett gebracht werden, während er noch halb schlummerte.
    Er richtete seine Augen auf seine Frau und Gehilfin.
    Liebe Adele, dachte er zärtlich. So ein liebes Kind, und so gehorsam. Mit dem Ellbogen stieß er sie sanft in die Seite. Ruckartig drehte sie sich um und öffnete zitternd ihre weichen, roten Lippen. Dann ließ sie einen vernichtenden Schnarcher los. - »Zum Teufel mit dieser Frau«, murmelte Bernie.
    Wieder stieß er sie leicht an, und diesmal etwas hartnäckiger und mit mehr Druck. Adele gurgelte einmal kurz und drehte sich wieder auf die andere Seite.
    Bernie rollte sich gereizt hin und her.
    Darüber durfte man sich nicht täuschen. Wenn Adele in den Federn lag, dann arbeitete sie grundsätzlich ihre acht vollen Stunden Schlaf ab, und weder eine Sturmflut noch Feuer noch Sturm konnten sie davon abhalten. Bernie murmelte einige beschreibende, aber wenig freundliche Adjektive vor sich hin. Der Himmel auf Erden existierte nicht mehr.
    Mit ohrenbetäubendem Lärm legte der Wecker los, und Bernie sank hoffnungsvoll in seine Kissen zurück. Der Wecker nahm einen kurzen Anlauf, um dann drei Minuten lang unvermindert laut zu klingeln.
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