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Vor Nackedeis wird gewarnt

Vor Nackedeis wird gewarnt

Titel: Vor Nackedeis wird gewarnt
Autoren: Frank Charles
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Treppe nach unten, in das zweite Stockwerk.
    Voller Neugier, wohin diese Treppe ihn führte, kroch Andy nach unten. Aber diesmal erwartete ihn eine große Enttäuschung. Denn am Ende dieser Treppe befand sich zwar auch eine Tür, die sich aber als sein Waterloo erwies. Anders als alle anderen
    Türen, auf die er bisher gestoßen war, war diese aus Eiche und weder morsch noch verfallen. Er trat gegen das Holz, aber die Tür bewegte sich nicht.
    Er trat wieder dagegen.
    Er fluchte.
    Jenseits der Tür waren Stimmen zu hören, und eine dieser Stimmen war die seines Vaters. Der entsetzliche Gedanke, er könne den Augenblick verpassen, in dem sein Vater tanzte und fluchte, überfiel Andy ganz plötzlich, und er schrie: »Daaaaadddyyy!«, so laut er konnte.
    Jenseits, auf dem Korridor, hielt Bernie inne und schaute sich um. Adele, die neben Bernie stand, drehte sich ruckartig auf ihrem Absatz um und starrte auf die Schranktür an der Korridorwand. »Bernie«, jammerte sie, »es ist Andy. Er ist in dem Schrank eingeschlossen.«
    Bernie schnappte nach Luft. Es konnte keinen Zweifel geben. Die Frau hatte recht. Man konnte hören, wie jemand voller Panik schrie und verzweifelt mit den Fäusten gegen eine Wand hämmerte. Und die Geräusche kamen aus diesem Schrank. Die Vorstellung von einem erstickenden Kind durchzuckte ihn und ließ ihn erstarren.
    Er schrie: »Wir müssen ihn da herausholen.« Er lief nach unten, um einen Hammer und einen Schraubenzieher zu holen. Innerhalb von drei Minuten war er wieder zur Stelle, völlig außer Atem, und schwang die beiden Werkzeuge wie die Flügel einer Windmühle.
    »Es ist gut, Kind«, rief er, »Daddy holt dich da schon raus.«
    Er klopfte an der Tür herum. Grabesstille.
    »Er gibt keine Antwort mehr«, schrie Bernie, »vielleicht hat er schon das Bewußtsein verloren.«
    Jetzt handelte es sich schon nicht mehr um Panik. Vielmehr war dies eiskalte Logik. Denn nur, wenn er ohnmächtig war, würde Andy jemals still sein.
    Grimmig und entschlossen ging der Vater des eingesperrten Kindes die Tür an.
    »Und wenn es die letzte Tat meines Lebens ist«, sagte er, »diese verdammte Tür werde ich aufbrechen.«
    Adele, selbst in dieser außergewöhnlichen Situation immer noch eine Dame, sagte: »Bitte fluche doch nicht so. Andy gewöhnt sich das auch an. Versuche doch bitte, dich daran zu erinnern, daß du ein Schullehrer bist.«
    »Ach, Quatsch«, antwortete Bernie und drückte den Schraubenzieher in den Türpfosten. Er hob den Hammer und ließ ihn auf das Ende des Schraubenziehers niedersausen. Das Holz splitterte.
    Es war nicht normal für ein Kind, bei all diesen interessanten Geräuschen ruhig hinter einer geschlossenen Tür zu verharren und sich den ganzen Spaß der Situation entgehen zu lassen. Und so war Andy schon wieder auf dem Weg nach oben. Er stieg die Treppe hoch und ging entlang der Brüstung zurück, wobei er nicht vergaß, dem Commander kameradschaftlich zuzuwinken. Er verschwand in der ersten Kammer, stieg die Treppe hinunter, raste durch das Schlafzimmer und erschien gerade in dem Moment auf dem Korridor, als sein Vater mit einem zweiten Angriff auf die Tür begann.
    »Mammi«, fragte er, »was macht Daddy da eigentlich?«
    Adele schaute stolz auf ihren Sohn und fuhr ihm durch die Haare. Freundlich sagte sie: »Daddy versucht gerade, dich aus diesem Schrank herauszuholen.«
    »Ach so«, meinte Andy und beobachtete daß Schauspiel.
    Der Hammer sauste erneut herunter. Dann drehte sich Bernie in kleinen Kreisen und hielt die eine Hand mit der anderen fest, wobei er gequält vor sich hinmurmelte: »Ich bin ein Schullehrer, ich bin ein Schullehrer.«
    Und mitten in diesem kleinen Tanz entdeckte er Adele, die an der Tür zum Schlafzimmer stand und ein Kind an der Hand hielt, dessen Gesicht ihm bekannt vorkam.
    Sehr leise legte er den Hammer aus der Hand, ging auf die Korridorwand zu und begann damit, seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen.
    »Liebling«, fragte Adele besorgt, »was hast du?«
    »Warum sagst du nicht einfach verdammt?« fragte eine sehr bekannte Stimme. »Du darfst das doch ruhig sagen, denn schließlich bist du doch erwachsen.«
    Adele ließ Andys Hand los, als sei sie von einer Wespe gestochen worden.
    »Andy«, kreischte sie, »warum bist du nicht in diesem Schrank erstickt?«

    Das Durcheinander und das Geschrei erstarben, und reichlich mit Trinkgeld versehen, verließen die Möbelmänner das Haus.
    Zwar mußte noch manches ausgepackt und eingeräumt werden,
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