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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag
Autoren: Linda Howard
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auswendig. Er warf die Münzen ein und lauschte dem Klingeln am anderen Ende der Leitung. Als abgehoben wurde, sagte er laut und deutlich: »Mein Name ist Dexter Withlaw.«
    Sein Leben lang hatte er für dieses Verbrechen bezahlt. Jetzt war es an der Zeit, daß jemand anderer die Rechnung übernahm.

2
    Columbus, Ohio, 17. Februar
    Das Päckchen lag auf der schmalen Vorderveranda, als Karen Whitlaw an diesem Februarabend von der Arbeit nach Hause kam. Ihre Scheinwerfer glitten kurz darüber, als sie de ’ Wagen in die Auffahrt lenkte, aber sie war so müde, daß sie keine Neugier verspürte. Erschöpft griff sie nach ihrer Einkaufstasche, die vollgestopft war mit ihrer Handtasche und all dem anderen Krimskrams, den sie für ihren Job brauchte, und zerrte das schwere, sperrige Ding mühsam aus dem Wagen. Es verhakte sich zuerst an der Beifahrerkonsole, dann am Lenkrad, bis Karen die Tasche schließlich mit einem ungeduldigen Ruck freibekam und sie ihr prompt gegen die Hüfte knallte. Autsch, das tat weh. Durch den Schnee stapfte sie dann mühsam zum Haus und biß die Zähne zusammen, als sie spürte, wie ihr der eisige Schneematsch in die Halbschuhe drang. Natürlich hätte sie besser die Winterstiefel angezogen, aber sie war so erledigt gewesen am Ende ihrer Schicht, daß es nur noch zum Heimfahren gereicht hatte.
    Das Päckchen lag aufgestellt auf der Schwelle zwischen Drahtgittertür und Haustür. Sie schloß auf und griff hinein, um das Licht anzuknipsen, dann bückte sie sich und hob das Päckchen auf. Sie hatte nichts bestellt; wahrscheinlich lag hier eine Verwechslung vor.
    Im Haus war es kalt und still. Sie hatte wieder einmal vergessen, ein Licht anzulassen, als sie heute morgen zur Arbeit ging. Sie haßte es, in ein dunkles Haus heimzukehren; es erinnerte sie immer daran, daß ihre Mutter nicht länger da war, daß sie nicht mehr von köstlichen Küchengerüchen und Jeanettes fröhlichem Summen empfangen wurde. Der Fernseher war immer an gewesen, auch wenn keiner hinsah, denn Jeanette mochte die Geräuschkulisse. Egal, wie spät Karen nach Haus gekommen und wie müde sie gewesen war, sie wußte immer, daß ihre Mutter eine warme Mahlzeit und ein Lächeln für sie übrig haben würde.
    Bis vor drei Wochen.
    Es war alles unheimlich schnell gegangen. Jeanette klagte eines Morgens über Kopf- und Gliederschmerzen und meinte, sich nur erkältet zu haben. Sie klang ein wenig heiser, doch als Karen ihr Fieber maß, lag es nur bei siebenunddreißig zwei, also dachte auch sie, daß es sich lediglich um eine Erkältung handelte. Um die Mittagszeit rief Karen zu Hause an, um zu sehen, wie es ihrer Mutter ging, doch obwohl Jeanettes Husten schlimmer geworden war, beharrte sie darauf, sich lediglich einen harmlosen Schnupfen zugezogen zu haben.
    Als Karen dann an jenem Abend nach Hause kam, warf sie nur einen Blick auf ihre Mutter, die in eine Decke gewickelt auf dem Sofa lag und vor Schüttelfrost bibberte, und wußte, daß es sich um eine ausgewachsene Influenza handelte und nicht bloß um eine Erkältung. Ihre Temperatur lag jetzt bei neununddreißig fünf. Und als Karen ihr die Brust mit dem Stethoskop abhörte, mußte sie feststellen, daß beide Lungenflügel gefährlich verschleimt waren.
    In Karens Augen war es einer der Hauptvorteile Krankenschwester zu sein, daß man lernte, wie man anderen sanft, aber unweigerlich seinen Willen aufzwingt. Während ihre Mutter also noch darauf beharrte, bloß eine Erkältung zu haben und daß es albern wäre, wegen einer einfachen Erkältung ins Krankenhaus zu fahren, war Karen schon mit rascher, kompetenter Hand bei den Vorbereitungen, so daß Jeanette bereits fünfzehn Minuten später warm eingemummelt im Auto saß auf dem Weg zum Krankenhaus.
    Es schneite heftig. Karen hatte Schnee immer gemocht, aber nun erinnerte er sie an jene Nacht, in der sie mit weiß hervortretenden Fingerknöcheln durch die heftig wirbelnde weiße Sturmnacht gefahren war und mit anhören mußte, wie ihrer Mutter mehr und mehr die Luft ausging. Sie schaffte es bis zu dem Krankenhaus, in dem sie arbeitete, fuhr gleich bis vor die Notaufnahme und hupte laut, bis Hilfe kam, doch abgesehen vom Schnee konnte sie sich, was diese Nacht betraf, nur noch an Jeanette erinnern, wie schmal und eingesunken sie ausgesehen hatte und wie rasch sie vom Fieberwahn ergriffen worden war, so daß sie nichts mehr wahrnahm, egal wie sehr Karen auch auf sie einredete.
    Akute virale Pneumonie lautete die Diagnose. Alles
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