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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern
Autoren: James Herriot
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wußte sie einzusetzen. Viele Hundeliebhaber glauben, der Spaniel könne die seelenvollsten Blicke von sich geben. Ich selber traue das eher den Beagles zu. Myrtle jedenfalls war eine Meisterin darin.
    »Ach, da machen Sie sich mal keine Gedanken, Mr. Cobb«, sagte ich. »Glauben Sie mir, es fehlt ihr nichts.«
    Aber Mr. Cobb war immer noch unglücklich. »Wollen Sie nicht doch etwas tun, Herr Doktor?«
    Das war eine der großen Fragen im Leben eines Tierarztes. Wenn man nichts »tat«, waren die Leute nicht zufrieden. In diesem speziellen Fall war es so, daß Mr. Cobb dringender einer Behandlung bedurfte als sein Liebling. Allerdings wollte ich Myrtle nicht, nur um ihn zu beruhigen, eine Spritze geben. Deshalb holte ich eine Schachtel Vitamintabletten aus meiner Tasche und schob dem kleinen Tier eine hinten über die Zunge.
    »Das wär’s«, sagte ich. »Die Tablette wird ihr guttun.« Ich kam mir wie ein Scharlatan vor. Andererseits würde ihr die Tablette zumindest nicht schaden.
    Mr. Cobb war sichtlich erleichtert. »Ah, das ist gut. Sie haben mein Gewissen beruhigt.« Er nahm Kurs auf einen üppig eingerichteten Salon und ging mit unsicheren Schritten auf einen Barschrank zu. »Wie wär’s mit einem Gläschen, ehe Sie gehen?«
    »Nein, vielen Dank, wirklich«, sagte ich. »Lieber nicht.«
    »Ich brauche einen Schluck, um meine Nerven zu beruhigen. Ich war so aufgeregt.« Er goß sich einen kräftigen Schluck Whisky ins Glas und winkte mich zu einem Sessel.
    Mein Bett rief nach mir, aber ich setzte mich trotzdem und leistete ihm Gesellschaft, während er trank. Er erzählte mir, daß er Buchmacher gewesen sei und erst seit einem Monat in Darrowby lebe. Aber obwohl er beruflich mit Pferderennen nichts mehr zu tun habe, versäume er kein einziges Rennen im nördlichen England.
    »Ich genehmige mir ein Taxi und mache mir einen guten Tag.« Sein Gesicht strahlte, während er sich an die glücklichen Stunden erinnerte, dann zitterten seine Wangen einen Moment und der wehleidige Ausdruck kehrte in sein Gesicht zurück.
    »Aber ich vernachlässige meinen Hund. Ich lasse ihn allein zu Hause.«
    »Unsinn«, sagte ich. »Ich habe Sie schon draußen in den Feldern mit Myrtle gesehen. Sie geben ihr viel Auslauf, nicht wahr?«
    »O ja, wir machen jeden Tag lange Spaziergänge.«
    »Na, dann hat sie doch ein gutes Leben. Sie machen sich unnötige Sorgen.«
    Er sah mich mit strahlender Miene an und goß einen Schluck Whisky in sich hinein. »Sie sind ein guter Kerl«, sagte er. »Kommen Sie, nehmen Sie wenigstens einen, bevor Sie gehen.«
    »Also gut, aber nur einen kleinen, bitte.«
    Während wir tranken, wurde er immer sanfter, bis er mich schließlich fast unterwürfig ansah.
    »James Herriot«, lallte er. »Ich vermute, das ist Jim, was?«
    »Ja.«
    »Dann werde ich Sie Jim nennen, und Sie nennen mich Humphrey.«
    »Gut, Humphrey«, sagte ich und trank das letzte Tröpfchen von meinem Whisky. »Aber jetzt muß ich wirklich gehen.«
    Draußen legte er die Hand auf meinen Arm, und sein Gesicht wurde wieder ernst. »Ich danke dir, Jim. Myrtle ging es wirklich ziemlich schlecht. Ich bin dir sehr dankbar.«
    Als ich nach Hause fuhr, wurde mir klar, daß ich es nicht geschafft hatte, ihn davon zu überzeugen, daß seinem Hund überhaupt nichts gefehlt hatte. Er war überzeugt, daß ich Myrtle das Leben gerettet hatte. Es war ein ungewöhnlicher Besuch gewesen, und während mir der Zwei-Uhr-nachts-Whisky im Magen brannte, kam ich zu dem Schluß, daß dieser Humphrey Cobb zwar ein recht komischer kleiner Mann war, daß ich ihn aber trotzdem mochte.
    Nach dieser Nacht sah ich ihn häufig mit Myrtle über die Wiesen und Felder gehen. Wegen seiner fast kugeligen Gestalt schien es fast, als rollte er durch das Gras, aber er benahm sich immer vernünftig, außer daß er mir jedesmal überschwenglich dafür dankte, daß ich Myrtle den Klauen des Todes entrissen hätte, wie er sagte.
    Dann plötzlich waren wir wieder am Anfang der Geschichte. Eines Nachts, kurz nach Mitternacht, klingelte das Telefon, und als ich den Hörer abnahm, hörte ich die weinerliche Stimme schon, bevor der Hörer mein Ohr berührte.
    »Uuh... Uuh... Jim! Myrtle geht es wieder so schlecht. Kommst du bitte?«
    »Was... was ist es denn diesmal?«
    »Sie hat so komische Zuckungen.«
    »Zuckungen?«
    »Ja, sie zuckt irgendwie ganz schrecklich. Bitte, komm, Jim, laß mich nicht warten. Ich habe eine Todesangst. Bestimmt hat sie Staupe.« Wieder Schluchzen.
    Ich
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