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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern
Autoren: James Herriot
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ist es manchmal ziemlich glitschig. Ein- oder zweimal bin ich schon beinahe auf den Hintern gefallen. Ich habe gerade neulich zu meiner Frau gesagt...«
    »Ich muß jetzt weiter, Mr. Ripley«, unterbrach ich ihn. »Sie wissen ja, daß ich noch nicht zu Mittag gegessen habe. Ich gehe nur schnell zum Wagen und hole eine Tetanus-Spritze für die Kuh.«
    Ich gab ihr die Injektion, ließ die Spritze in meine Tasche fallen und war schon halb über den Hof, als Mr. Ripley hinter mir herrief.
    »Haben Sie Ihre Kastrationszangen bei sich, Mr. Herriot?«
    »Die Zange...?« Ich blieb stehen und sah zu ihm hinüber. Das konnte ich nicht glauben. »Ja, habe ich. Aber Sie wollen doch sicher heute am Sonntag nicht Ihre Kälber kastrieren lassen?«
    Der Farmer drehte am Rädchen seines alten Messingfeuerzeugs und hielt die lange Flamme an den Kopf seiner Pfeife. »Es ist nur eines, Mr. Herriot. Dauert nur eine Minute.«
    Na gut, dachte ich, während ich den Kofferraum öffnete und den Burdizzo herausfischte, der wie immer auf dem Overall lag, den ich anzog, wenn eine Kuh kalbte. Darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Mein Yorkshire-Pudding war längst abgeschrieben, und das Fleisch und das herrliche frische Gemüse waren inzwischen mit Sicherheit verschmort.
    Während ich über den Hof ging, flog am anderen Ende plötzlich eine Schwingtür auf, und ein riesiges schwarzes Tier stürmte heraus. Es blieb stehen, spähte wachsam im hellen Sonnenlicht um sich, stampfte den Boden und schlug schlechtgelaunt mit dem Schwanz. Ich starrte auf die Hörner, auf die gewaltigen Muskelpartien an den Schultern, auf die böse glitzernden Augen. Es fehlte nur ein Trompetenstoß, und ich hätte gemeint, ich befände mich auf der Plaza de Toros in Madrid und der Stierkampf begänne.
    »Ist das das Kalb?« fragte ich.
    Der Farmer nickte stolz. »Ja, das ist es. Ich habe gedacht, ich bring es lieber in den Kuhstall, da können wir es besser anbinden.«
    Eine Welle der Wut schlug über mir zusammen, und einen Augenblick lang war ich drauf und dran, den Mann anzuschreien, aber dann fühlte ich seltsamerweise nur noch eine große Müdigkeit.
    Ich ging zu ihm hinüber, so nahe an ihn heran, daß mein Gesicht vor dem seinen war, und sagte mit ruhiger Stimme: »Mr. Ripley, es ist sehr lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, und Sie hätten reichlich Zeit gehabt, das Versprechen, das Sie mir damals gaben, einzulösen. Erinnern Sie sich? Sie wollten Ihre Kälber beschneiden lassen, solange sie noch jung sind, und Sie wollten das Tor reparieren. Und jetzt sehen Sie sich diesen großen Bullen an, und sehen Sie sich an, was Ihr Tor mit meinem Anzug gemacht hat.«
    Der Farmer starrte mit echtem Interesse auf meinen zerfetzten Anzug und streckte die Hand aus, um einen klaffenden Riß an meinem Ärmel zu berühren.
    »Oh, das tut mir aber leid.« Er sah zu dem Bullen hin. »Und ich schätze, der ist auch schon ein bißchen groß.«
    Ich sagte nichts. Nach ein paar Sekunden wandte mir der Farmer den Kopf zu und sah mir in die Augen – die Entschlossenheit in Person, so schien es.
    »Ja«, sagte er, »das ist nicht recht. Aber ich will Ihnen was sagen. Kastrieren Sie diesen einen heute noch, und ich verspreche Ihnen, daß es nie wieder passiert.«
    Ich setzte ihm den Finger auf die Brust. »Das haben Sie schon mehrmals gesagt. Meinen Sie es diesmal wirklich ernst?«
    Er nickte heftig. »Das garantiere ich Ihnen.«

Kapitel 2
     
    »Uh... Uh-hu-hu!« Das herzzerreißende Schluchzen riß mich vollends aus dem Schlaf. Es war ein Uhr nachts. Das Telefon an meinem Bett hatte geklingelt, und ich hatte erwartet, die brummige Stimme eines Farmers zu hören, bei dem eine Kuh kalbte. Solche nächtlichen Anrufe waren nichts Ungewöhnliches. Statt dessen hörte ich dieses schreckliche Heulen.
    »Wer ist da?« fragte ich beunruhigt. »Was, zum Teufel, ist denn los?«
    Schließlich hörte ich zwischen den Schluchzern eine männliche Stimme, die stammelte: »Hier ist Humphrey Cobb. Kommen Sie um Gottes willen her, Herr Doktor, und sehen Sie nach meiner Myrtle. Ich glaube, sie stirbt.«
    »Myrtle?«
    »Ja, mein armer kleiner Hund. Sie ist in einem fürchterlichen Zustand! Uh-hu!«
    Der Hörer in meiner Hand zitterte. »Was fehlt ihr denn?«
    »Oh, sie japst und keucht so schrecklich. Ich fürchte, es ist bald vorbei mit ihr. Kommen Sie bitte ganz schnell, Herr Doktor.«
    »Wo wohnen Sie denn?«
    »Cedar House. Am Ende der Hill Street.«
    »Ich weiß Bescheid. Ich komme
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