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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
Autoren: Nagel & Kimche AG
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Imperatriz folge in anderthalb Stunden, Entschuldigung.
    Er folgt in drei Stunden und hält nach Nordosten, vorbei an Sägereien, Schmelzöfen, Strommasten, dann nach Südosten, ein totes Rind liegt am Rand der Welt, Geier darauf, Domingos, seine Tasche auf dem Schoß, schläft.
    Vorbei an Eukalyptus, Sumpf und Steppe, Regen setzt ein.
    In Peritoró, es ist längst finster, fragt Domingos nach dem Bus nach Pedreiras. In fünf Minuten, sagt jemand. Domingos erwischt den letzten freien Sitz, 20 Uhr 10. Der Chauffeur hält auf einen Hund zu, der, vom Licht geblendet, mitten auf der Straße steht, die MA122, eine Frau schreit auf.
    Die Nacht in Pedreiras kostet vierzig Reais, fensterlos und kühl, Hotel Basílio, Bauruine und Herberge. Am Hauptplatz der Stadt, in der Domingos Alves da Silva die Mutter seines Freundes Chico vermutet, setzt er sich an einen Tisch und bestellt Reis und Fleisch, Kinder lärmen, das Telefon schnarrt.
    Sei unbesorgt, sagt die Frau.
    Im März ging sie zur Bank von Breu Branco und bat um Geld, damit ein Haus zu bauen aus Stein und Putz. Domingos’ Schwiegersöhne stellten schnell die wenigen Mauern, sie luden welliges Eternit aufs Gebälk, versahen die Tür mit zwei Schlössern, Rua Bahia 41.
    Seit einem Monat leben Domingos Alves da Silva und seine Frau nun dort, Stadtteil Novo Horizonte, geschützt von Wänden, durch die keine Kugel dringt.
    Ruf an, sagt er, wenn ich etwas wissen muss.
    Mücken im Hotel Basílio, Domingos, fünfhundert Kilometer hinter der Heimat, schläft nicht. Er öffnet seine schmale Tasche und liest Akten, Manoel Francisco Silva Souza, genannt Chico Dente de Ouro, geboren am 13.10.1972, ermordet am 1.2.2009, Wählerausweis 0286 2169 1171, Steuerausweis 0099 463-75.
    Die Mutter in Pedreiras, wahrscheinlich.
    Mehr ist nicht bekannt.
    Einmal fragte Domingos seinen Freund: Warum hast du mit deinem Gold keine Kettensäge gekauft?
    Kettensägen, sagte Chico, werden gestohlen.
    Im Frühstücksraum hängt ein Bild, Öl auf Holz, fünf weiße Häuschen an einem schönen blauen Fluss, ein Dreimaster darauf.
    Domingos fragt den Wirt: Wo ist hier das Sozialamt?
    6. August 2009, halb neun Uhr am Morgen, Domingos Alves da Silva, ein frisches Hemd am Leib, geht die Avenida Rio Branco hinauf und schaut nicht zurück. An einer Tankstelle fragt er: Wo ist das Sozialamt?, er fragt in einem Zementgeschäft, in einer Bäckerei.
    An einer hohen spitzen Säule, am Anfang der Avenida Mariano Lisboa, steht geschrieben: Hier, die Wiege unserer Söhne pflanzend und die Gräber unserer Eltern ehrend, kämpfen wir unseren Kampf für eine bessere Welt, in der nichts als Glückseligkeit herrscht, geboren aus Fortschritt, Friede, Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit.
    Im Sozialamt der Stadt Pedreiras, Mariano Lisboa 1188, sitzen drei junge Frauen an einem Tisch und schwatzen. Domingos stellt sich vor sie, die Hände, als wollte er beten, verschränkt, er sagt: Ich hatte einen Freund, Manoel Francisco Silva Souza, genannt Chico Dente de Ouro, nun suche ich seine Mutter.
    Sie bieten Domingos einen Stuhl an, Domingos setzt sich unter das Bild der Muttergottes und schweigt und liest die Sprüche an der Wand, Transmita confiança, Use palavras positivas, Rompa os limites, Schaff Vertrauen, Rede positiv, Überwinde Grenzen. Endlich führt ihn jemand ins Nebenzimmer, fensterlos, Neon leuchtet, eine junge Frau sitzt an einem Pult, darauf eine Blume aus Plastik.
    Ich hatte einen Freund, Manoel Francisco Silva Souza, genannt Chico Dente de Ouro, nun suche ich seine Mutter.
    Ganz einfach, sagt die Frau und schreibt Chicos Namen auf. Wenn seine Eltern den gleichen Namen haben wir Ihr Freund, finden wir die schnell. Falls sie wirklich hier leben. Und eingetragen sind. Kommen Sie in einer Stunde wieder.
    Domingos wartet neben der hohen spitzen Säule am Ende der Straße: An alle jene, die mit ihrer ehrenwerten und ständigen Arbeit zur Größe dieses Landes beitrugen, es begossen mit dem Schweiße ihres Angesichts, es formten mit der Hitze ihrer Hände und betraten mit den Sandalen der Pioniere, auf dass sie ruhen im Ruhm der erfüllten Pflicht und im ewigen Traum der müden Krieger.
    Domingos ruft seine Frau an: Alles in Ordnung zu Hause?
    Gestern Nacht sei einer erschossen worden, kein Landarbeiter, sagt sie, ein Säufer.
    Leider, sagt die junge Frau im Zimmer ohne Fenster, ist hier niemand verzeichnet, der den Namen Ihres Freundes hat. Waren Sie schon bei der Polizei? Rua Messias Filho am Ende der Stadt.
    Danke,
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