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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
Autoren: Nagel & Kimche AG
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Mauer, Straße der Erlösung, es ist heiß in Maranhão, einem der ärmsten Staaten Brasiliens, Domingos dreht sich zur Frau und sagt: Es ist wahr.
    Ja, sagt die Frau.
    Sie blickt zur Erde, zum Himmel, dann bittet sie leise: Erzähl.
    Und am Schluss, sagt Domingos, als Chico am Boden lag, öffneten sie seinen Mund und brachen daraus den goldenen Zahn.
    Ja, sagt Maria da Nazaré.
    Domingos Alves da Silva, fünfundfünfzig Jahre alt und drei Tage, steht im Schatten der Mauer und weiß nicht wohin mit seinen Tränen.

Der Tunnel der Erkenntnis
    Am Anfang war das Quark?
    Falsch!
    Dr. rer. nat. Rolf Landua, helle Hose, kurzes schwarzes Hemd, übt sich in Geduld: Am Anfang war Energie!
    Aha, sagt der Besucher Nummer 219 339. Welche Energie?
    Das wissen wir nicht, sagt Herr Landua, am besten nennen Sie es Strahlung.
    Und dann?
    Wurde sie instabil.
    Sie wurde instabil. Weshalb?
    Aus Zufall, sagt Herr Landua leise, wir wissen es nicht.
    Herr Landua, begabt mit hohem Verständnis für simple Seelen, nickt aus schwarzem Kunstleder, so heftig, dass der Stuhl zu schaukeln beginnt.
    Wir sind aus Zufall, sagt er und legt die Hände ins Genick.
    Kein Gott, der den Urknall zündete?
    Herr Landua hebt die Schultern.
    Es ist hell und warm im Büro R-008, Gebäude 3, des Conseil Européen de la Recherche Nucléaire Cern zu Meyrin bei Genf, eine schmale graue Zelle, zur Hälfte in die Erde versenkt, Neon leuchtet, auf dem Sims steht ein Gießkännchen aus glänzendem Metall, ein Däumling daneben, Filz und Pelz, das Frisürchen weiß und strubbelig, Albert Pumuckl Einstein.
    Ist Gott, so es ihn gibt, Mathematiker?
    Herr Landua, von Undenkbarem entflammt, seit er denken kann, schaut in die Bücherwand, schaut durch sie hindurch, schweigt und denkt, schaukelt in seinem Stuhl.
    Gute Frage, sagt er und schweigt.
    Na ja, sagt er endlich, wenn Gott Mathematiker ist, dann wohl einer, der seine Freude hat am Unvollkommenen, an der Abweichung vom Perfekten.
    Was er damit meine, fragt der Besucher 219 339.
    Na ja, was beim Urknall geschah, ist jedem Mathematiker ein Schrecknis.
    Herr Landua lacht.
    Eigentlich dürfte es die Welt nicht geben, verstehen Sie?
    Nein, sagt 219 339.
    Der Urknall, jenes Ereignis am Anfang, ohne das nichts wäre, geschah, wie der Mensch hochrechnet, vor 13 700 Millionen Jahren.
    Vor 13 700 Millionen Jahren versammelte sich eine unvorstellbare Menge Energie auf allerwinzigstem Raum, der vielleicht nicht weiter war als der Hundertstel des Durchmessers eines Punktes auf dem Buchstaben i. Dann blähte sich dieser Punkt, als wäre er ein Ballon, zu kosmischen Dimensionen auf, undenkbar schnell, der Urknall war los. In weniger als dem billionsten Teil einer Sekunde wandelte sich diese Energie in Materie um, das Universum war gezeugt, ein Chaos aus Teilchen und Strahlen, noch sehr dicht und noch sehr heiß, milliardenfach heißer als das Innere unserer heutigen Sonne.
    Schwere und flüchtige Materieteilchen zerfielen praktisch sofort in leichtere, stabile, in sogenannte Elektronen und in sogenannte Quarks, die sich zu Protonen und Neutronen ballten – Elektronen und Quarks sind der Rohstoff der Welt, der Sterne, der Erde, kein Leben ohne sie, kein Bewusstsein, keine Liebe, kein Hass.
    Und während dreier Minuten nach dem Knall verschmolz ein Teil der Protonen und Neutronen zu leichten Atomkernen, aber erst 380000 Jahre später, das All war nun kalt genug, entstanden erste vollständige Atome, Helium und Wasserstoff, als die positiv geladenen Kerne sich eine Hülle aus negativ geladenen Elektronen umlegten – Atome haben einen Kern, bestehend aus Protonen und Neutronen, die ihrerseits aus Quarks bestehen, und eine Hülle aus Elektronen.
    Sie können mir folgen?
    Ich kann.
    Die Atome, aus denen alles ist, sind im Wesentlichen leerer Raum, ein Vakuum von 99,9 Prozent, darin zuckend und zitternd ein paar Teilchen. Wäre ein Atom so groß wie ein Sportstadion, entspräche der Kern einer Erbse in der Mitte des Rasens, die Elektronen, zehntausend Mal kleiner, kreisten auf der Tribüne.
    Gut und recht, Herr Landua, aber weshalb dürfte es die Welt nicht geben?
    Landua lächelt.
    Worin, Herr Landua, besteht also der Unfall, der uns machte?
    Der, sagt er, kommt davon, dass beim Urknall, wie unsere mathematischen Modelle zeigen, nicht nur Teilchen entstanden, sondern auch Antiteilchen, jedem Teilchen entspricht sein Antiteilchen, besser gesagt, sein Komplementär- oder Spiegelteilchen, das genau so real ist, die gleiche Masse hat, die
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