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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
Autoren: Nagel & Kimche AG
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die Erde zu legen. Sie seien geschickt von Gildásio Alberto Timo Pena, einem der Großgrundherren, um hier aufzuräumen ein für alle Mal. Dann, Dominguinhos…
    Dann fragten sie nach mir!, sagt Domingos.
    Aber du warst nicht da. Dann fragten sie: Wer ist sein Stellvertreter? Jemand zeigte auf Chico Dente de Ouro. Der Schuss traf ihn in die Stirn. Dann fragten sie, wer Chicos Stellvertreter sei. Ich sagte: Ich bin es! Einer, die Eisenhand, a mão de ferro, hielt mir sein Gewehr vor den Bauch und drückte ab. Aber der Schuss ging nicht los. Dann schlug er mit dem Gewehr auf mich ein, ich bin jetzt einundsechzig und habe keine Kraft mehr, sie schlugen und fesselten mich. Sie gossen Benzin über unsere Zelte und brannten sie ab. Und dann schrie einer: Verschwindet, ihr Trottel, und nehmt den da mit. Wir legten Chico in eine Matte, er lebte noch und röchelte. Schließlich trieben sie uns über den Fluss und verschwanden. Wir luden Chico auf einen Laster, jemand löste meine Fesseln, und ich setzte mich ans Steuer, dann fuhren wir los und brachten ihn ins Krankenhaus von Breu Branco – so war es.
    Sie schweigen, zehn Uhr, es ist heiß an der PA150, kein Schatten hier.
    Eigentlich suchten die mich, sagt Domingos Alves da Silva.
    Eigentlich wollten sie dich, nickt der Alte.
    Der weiße Bus der São Geraldo fährt um zehn vor elf, vorbei an laublosen verkohlten Bäumen, an Strommasten und roter wunder Erde, Fazenda km 92, Fazenda Espírito Santo, Comercial Bin Laden, Domingos, die Arme verschränkt, sitzt am Fenster und schließt die Augen.
    Meine dritte Frau, fängt einer an, so laut, dass alle ihn hören, meine dritte war meine beste, und ich verlor sie nur, weil ich von der ersten nicht ließ, die erste, Gott ist mein Zeuge, verfolgte mich bis ins Bett.
    Jemand kichert, Domingos dreht sich weg, Fazenda Canada 3, Comunidade Cristo Vive, Sitio Novo Paraíso, er öffnet die Tasche und blättert in einem schmalen Buch, Conflitos no Campo Brasil 2008, Landkonflikte in Brasilien 2008, eine Statistik der Commissão Pastoral da Terra, CPT, Kommission für Landseelsorge.
    1934 zerstörte Häuser, 478 davon allein in Pará.
    1841 vertriebene Familien, 740 davon in Pará.
    1048 zerstörte Äcker, 241 davon in Pará.
    90 Morddrohungen, 35 in Pará.
    44 Mordversuche, 8 in Pará.
    28 Morde, 13 in Pará.
    Als steckte Brasilien noch in kolonialer Zeit, verfügen drei Prozent seiner Bauern über fast zwei Drittel des bebaubaren Landes. Neunzig Prozent dagegen teilen sich ein Fünftel der nutzbaren Fläche. Die Umverteilung ist seit fünfundvierzig Jahren Absicht, festgeschrieben in der Verfassung der Bundesrepublik Brasilien. Doch umgesetzt wurde das Vorhaben bis heute kaum: Die Großgrundbesitzer verteidigen ihr Land gegen das Heer Landloser mit Geld und Gesetz, sie spielen, sobald die Enteignung droht, jedes Rechtsmittel aus, wieder und wieder, sie bestechen Richter und Beamte, auf dass sie die Gerechtigkeit verzögern, und nützt auch dies nicht, stellen sie für wenig Geld Verbrecher an – manchmal schießt auch die Polizei. Berühmt wurde das Massaker von Eldorado de Carajas, 17. April 1996, neunzehn Menschen, Teilnehmer des Marsches für eine Landreform, starben unter den Kugeln des vierten Bataillons der Militärpolizei von Marabá, einundachtzig wurden verletzt, die Verantwortlichen nie bestraft.
    Vorbei an brennenden Wiesen und Wäldern, Domingos Alves da Silva, auf der Suche nach der Mutter seines Freundes Manoel Francisco Silva Souza, den alle Goldzahn riefen, schläft im Bus Nummer 4347, ar condicionado.
    Kurz vor neun Uhr am 1. Februar 2009 rief die Polizei an und bestellte ihn, Coordenador do Acampamento Perpetuo Socorro, auf den Posten, das Lager sei überfallen, ein Mann erschossen worden. Domingos nahm alle Akten mit, die er besaß, die Liste der Landarbeiter, ihre Namen und Nummern, und als er dort eintraf, befahl ihm ein Beamter, am nächsten Tag wiederzukommen, man habe jetzt keine Zeit für ihn. Begleitet von seiner Frau, fuhr Domingos zum Krankenhaus, stumm stand er an einer Bahre, darauf Chico Dente de Ouro, in seiner Stirn ein Loch.
    Ein Gott, sagte er zur Frau, der das zulässt, ist kein Gott.
    Schweig, sagte die Frau.
    Das Gesetz in diesem Land schützt die, die keinen Schutz brauchen, sagte er.
    Nicht jetzt, sagte die Frau.
    Ich kann nicht weinen, dachte Domingos.
    Er ging zurück zur Polizei und traf dort den Alten, verprügelt und krumm – und ein Mann trat aus dem Zimmer des Polizeichefs, a mão de
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