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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen
Autoren: Delilah S. Dawson
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der von ihm ausging, war er ein leichtes Ziel.
    Er unterbrach sein seltsames Lied und griff nach einer grünen Flasche. Er setzte sie an die Lippen, die gerötet waren von Blut und Gefühlen. Ich sah zu, wie er den Kopf in den Nacken warf, wie sich sein Adamsapfel bewegte, und ein ohrenbetäubendes Brüllen überkam mich. Ich konnte mich nicht länger zurückhalten. Innerhalb eines Herzschlages war ich über die Bühne und fiel ihn an.
    Und so klein ich auch war, der Schwung meines Angriffs warf ihn rücklings von der Bank. Die Flasche schlitterte über den Boden, und er machte einen erbärmlich unbeholfenen Versuch, danach zu greifen. Mit einer Hand hielt ich sein langes Haar gepackt, mit der anderen drückte ich seinen Brustkorb zu Boden, und meine langen Klauen gruben sich in sein Fleisch, aus dem winzige Blutstropfen hervortraten und die Luft würzten. Ich atmete tief ein und genoss den Duft. Er war so gut wie tot. Ich lächelte und ließ meine Reißzähne sehen.
    Seine rotgeränderten Augen begegneten meinem Blick. Er verstand, und mit einem animalischen Glitzern, das mich überraschte, erwiderte er mein Lächeln. Plötzlich krachte etwas gegen meinen Kopf, und er rollte mich auf den Rücken und taumelte mit einem wilden Auflachen auf die Füße. Rote Flüssigkeit lief über mein Haar und mein Gesicht, und ich schüttelte mir mit einem Fauchen grüne Glasscherben von den Schultern. Der dreiste Bastard hatte mich mit seiner Flasche geschlagen. Wenn ich nicht schon vorgehabt hätte, ihn zu töten, dann hatte ich jetzt guten Grund dazu.
    Ich wischte mir mit dem Handrücken den brennenden Wein aus den Augen und umkreiste ihn. Ich war schwindlig vor Hunger, beinahe benommen, und er machte sich meine geschwächte Verfassung zunutze, indem er vorwärtssprang und mir mit dem gesplitterten Ende seiner zerbrochenen Flasche den Unterarm aufschlitzte. Ich fauchte wieder und ging ihm an die Kehle – doch im letzten Moment ließ mich etwas abrupt innehalten. Er roch nicht so gut, nicht mehr.
    Die Bestie in mir zog sich zurück, und ich richtete mich auf. Meine Arme hingen, nun nutzlos, herab. Er hatte einen Finger im Mund, und als er den mit einem dramatischen Plop wieder herauszog, waren seine Lippen rotgefärbt von meinem Blud. Jetzt roch er genauso wie ich. Und weniger nach Nahrung.
    »Nicht heute Nacht, Josephine«, sagte er mit einem rotzfrechen Grinsen.
    Ich kämpfte darum, mich aufrecht zu halten und nicht zu wanken. Jetzt, da er von meinem Blud gekostet hatte, hatte die Bestie in mir nicht länger Kontrolle über mich, und es gab nichts mehr, was mich aufrecht hielt. Ich war leer wie eine Wolke, leicht wie eine Schneeflocke und hungrig über den Hunger hinaus. Mein Herz schlug kaum noch, und ich fühlte mich mehr als nur ein wenig verwirrt.
    »Oh je«, sagte ich mit einer Hand an meinem tropfnassen Haar. »Ich glaube tatsächlich, ich könnte ohnmächtig werden. Und du hast auch noch mein Kleid ruiniert. Dein Herr wird dich einfach ausweiden und vierteilen lassen.«
    Und dann fiel ich tatsächlich in Ohnmacht. Während die Welt um mich schwarz wurde, fühlte ich seine Hände, die mich auffingen, sein köstliches – wenn auch nicht mehr unerträglich aufreizendes – Blut, das nur Millimeter von mir entfernt durch seine Adern floss.
    »Ganz ruhig, kleines Mädchen«, sagte er. Ich roch Wein und Trauer an ihm, und noch etwas anderes, tief und moschusartig, und irgendwie nicht richtig.
    Sanft half er mir, zu Boden zu sinken, während ich im Fieberwahn kaum noch flüstern konnte: »Ich bin kein kleines Mädchen, und du bist der Diener mit dem schlechtesten Benehmen, das mir je untergekommen ist.«
    Die Welt versank in Finsternis, und sein Lachen und seine Musik verfolgten mich bis in meine Träume.

2.
    N och bevor meine Augen sich öffneten, und ehe ich ganz wach war, trank ich schon. Vier große Schlucke, und ich lechzte nach mehr. Ich packte die leere Glasphiole, die mir an den Mund gehalten wurde, und schleuderte sie zu Boden.
    »Mehr«, krächzte ich. »Ich verlange mehr.«
    Eine weitere Phiole erschien, und aufseufzend schluckte ich wieder. Jemand lachte leise. Das Blut rann durch meine Kehle, kühl und warm zugleich. Es schmeckte exotisch. Musste das hierzulande gängige Aroma sein.
    »Wie lange warst du denn in diesem alten Koffer versteckt?«
    Ich öffnete die Augen. Plötzlich war mir die so gar nicht damenhafte Natur meiner Zwangslage deutlich bewusst: Ich lag auf dem Boden, die Beine auf staubigen Holzdielen
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