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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen
Autoren: Delilah S. Dawson
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Fraß vorgeworfen werden. Wenn du mein Diener wärst und mich absichtlich verletzt hättest, so wie du es tatsächlich getan hast, würde man deine gesamte Familie auf den Gefrorenen Hügeln pfählen und in einem Festakt bei lebendigem Leib verspeisen. Deine Schuld mir gegenüber ist weit größer als umgekehrt, denn durch Spezies und Geburt bin ich dir naturgegeben überlegen.«
    Ich funkelte ihn an. Er funkelte zurück. Dann stand er auf und kam zu mir, und seine nackten Füße streiften den zerrissenen und verblichenen Taft meines Rocks. Er bückte sich, bis sein Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt war, und bleckte mir die Zähne. Mir! Ich konnte seine Böswilligkeit und den Alkohol spüren, die von ihm ausgingen.
    »Also dann, verletze mich. Mach schon. Beiß mich. Mach mir ein Ende. Ich habe alles verloren, was mir je etwas bedeutet hat. Ich würde es begrüßen, Prinzessin.«
    Die Worte kamen als ein Knurren zwischen blitzenden Zähnen heraus, und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Ich hob eine zitternde, schwarzgeschuppte Hand. Unsere Blicke trafen sich – seine Pupillen waren wie Stecknadeln in dämmerigem Blau. Mit jedem bisschen Kraft, das ich aufbringen konnte, voll Wut über seine niedere Natur und sein Mitleid, drückte ich meine scharfen Klauen um seine Kehle. Ich konnte seinen Puls dort hämmern sehen, konnte die Wut, die in ihm pochte, riechen. Ich packte noch fester zu und wartete auf das nasse Aufplatzen seiner Haut, das harte Krachen seiner Wirbelknochen.
    »Tu es!« Seine Lippen zogen sich zurück und entblößten Eckzähne, die schärfer waren, als ich erwartet hatte. »Mach ein Ende! Schick mich zurück in das Grab, wo ich hingehöre, du gottverdammtes Monster!«
    Ich fauchte und drückte zu.
    Doch ich schaffte es nicht einmal, seine Haut zu durchbohren.
    Ich ließ seinen Hals los, und meine Kehle bebte mit einem Schluchzen. Ich konnte mir nicht einmal nehmen, was mir gehörte. Er hatte recht – ich war ein Monster. Ein gebrochenes Monster.
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte er leise.
    Ich fiel wieder zu Boden und krümmte mich schluchzend zusammen. Eine einzelne Träne rollte mir über die Wange, fiel auf mein Handgelenk und hinterließ eine pinkfarbene Spur. Das bisschen Kraft, das ich hatte sammeln können, war aufgebraucht. Ich brauchte mehr Blut, wenn ich ihn töten wollte. Und ich würde ihn töten, denn jeder Mensch, der königliche Tränen sieht, erblickt damit sein eigenes Verderben.
    »Ich werde dir ein Ende machen«, flüsterte ich. »Ich werde Blut auftreiben und wieder zu Kräften kommen, und dann werde ich dich vollkommen aussaugen. Nichts wird wundervoller sein als dein Tod.«
    Der Blick, mit dem er mich musterte, war eigenartig. »Tu das«, antwortete er mit einer Stimme, die klang wie reißendes Papier.
    Und schon wieder begann ich, das Bewusstsein zu verlieren, aber ich fühlte seine Arme, die mich vom Boden aufhoben und irgendwo hintrugen. Die Samtvorhänge streiften meine Stiefel wie ein vorbeiziehendes Flüstern.
    Das Letzte, was ich hörte, bevor ich ohnmächtig wurde, war sein Flüstern: »Selbst der Tod ist besser als das hier.«

3.
    M ein erster Gedanke, als ich wieder aufwachte, war, dass dieses ständige In-Ohnmacht-Fallen doch schrecklich ungehobelt war. Mein zweiter Gedanke war, dass, wer auch immer mir die Stiefel ausgezogen hatte, ich denjenigen küssen wollte. Mein dritter Gedanke, während ich meine Füße streckte, war, dass ich eben denjenigen nach dem Küssen würde töten müssen, denn schließlich kann man doch nicht so einfach mal eine Prinzessin entkleiden ohne ihre Erlaubnis. Mein vierter Gedanke war, dass ich keine Prinzessin mehr war. Wenn meine Mutter wirklich tot war, dann war ich jetzt die Zarina.
    Da plötzlich fiel mir auf, dass Casper mich beobachtete.
    Ich hielt meine Augen geschlossen und stellte mich schlafend. Gleichzeitig versuchte ich meine körperliche Verfassung zu analysieren. Zwar erinnerte ich mich an alles, was geschehen war, seit ich in diesem schrecklichen Koffer aufgewacht war, aber ich hatte noch immer keine Ahnung, wo ich war, welcher Tag oder überhaupt welches Jahr war, oder was mein Geiselnehmer/Retter von mir eigentlich wollte. Ich musste mir eine Strategie überlegen, aber meine Gedanken waren so durcheinander wie ein Schneesturm in einer mondlosen Nacht.
    »Ich weiß, dass du wach bist, Prinzessin. Ich kann sehen, wie du die Füße bewegst.«
    »Du schon wieder, Knecht?« Ich versuchte, mich aufzusetzen, und
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