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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen
Autoren: Delilah S. Dawson
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hätte.
    »Ich muss zurück.« Ich musste herausfinden, was Ravenna die Kontrolle über mein Land und das letzte meiner Geschwister verlieh. Wenn die Lage so schlimm war, wie er sie beschrieben hatte, dann war es meine Pflicht ihnen gegenüber und mein Geburtsrecht.
    »Zuerst mal würde ich mir Gedanken darüber machen, aufzustehen. Sieht so aus, als hätte man dich ausgeblutet bis an die Schwelle des Todes. Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?«
    Er beugte sich vor, in einen goldenen Strahl der untergehenden Sonne, der durch ein kleines einem Bullauge ähnlichen Fenster fiel. Die blutunterlaufenen Augäpfel ließen das Blau seiner Pupillen noch stärker strahlen. Ich holte tief Luft und stellte fest, dass sein Geruch mich beschäftigte. Er war kein Bludmann, das war sicher. Aber was war er dann?
    Und wo war ich die letzten vier Jahre lang gewesen?
    »Das Letzte, woran ich mich deutlich erinnere, ist, dass ich am Brunnen im Hinterhof saß. Er war von einer dünnen Eisschicht bedeckt, so wie auf Blut brulée. Ich habe Muster in das Eis gezeichnet, den Kois darunter beim Schwimmen zugesehen und versucht, mit meinen Fingern durch die Kruste zu greifen.«
    »Und dann?«
    »Und dann war ich im Dunkeln und plante deinen Tod.«
    »Wie nett.«
    »Ich bin nicht nett«, grollte ich. Mit ein wenig Mühe zog ich mich in eine sitzende Position hoch, am anderen Ende des Bettes, wo die Dachsparren nicht so niedrig waren. »Nett ist für Kindermädchen und Stallburschen. Ich bin ein Mitglied des Königshauses. Ich bin Pragmatikerin. Und ich bin ein Morgenmuffel. Warum riechst du so anders?«
    »Das geht dich verdammt noch mal nichts an.«
    »Deine Einstellung gefällt mir nicht.«
    »Ich bin nicht dein Knecht.«
    Ich fauchte. »Wenn du mein Diener wärst–«
    »Schau mal, das ist ja alles ganz süß, du mit deinen Drohungen die ganze Zeit. Aber du bist schwach, du wirst gesucht, und du bist in meiner Gewalt. Gewöhn dich dran. Ich muss in fünf Minuten auf der Bühne sein, oder ich habe kein Geld, um mehr Blut für dich zu kaufen. Kann ich mich darauf verlassen, dass du hierbleibst?«
    Endlich etwas, womit ich arbeiten konnte.
    Ich schenkte ihm mein betörendstes Lächeln, das meine kleinen spitzen Zähne sehen ließ, und klimperte mit den Wimpern. »Natürlich. Ich werde einfach ein Nickerchen machen, während ich warte, und danach können wir ein Transportmittel organisieren.«
    Er lachte leise, und meine Wangen wurden heiß.
    »Weißt du, vor zwei Jahren wäre ich darauf noch hereingefallen. Aber seitdem ist eine ganze Menge passiert, und ich erkenne eine Lügnerin, wenn ich sie sehe.«
    Meine Hände ballten sich zu Fäusten in die kratzige Decke auf seinem Bett. Langsam gewöhnte ich mich an das Gefühl meiner überlangen Nägel, die sich in Stoff gruben. Inzwischen machte es mir nicht mehr so viel aus. Aber als ich meine Füße auf den Boden setzte und mich in Angriffsposition duckte, drückte er mir seelenruhig eine behandschuhte Hand gegen die Schulter und schubste mich hart zurück auf das Bett.
    Ich prustete empört auf und kämpfte gegen die Schwerkraft an, aber ich war noch immer sehr schwach. Mich aufzusetzen, hatte mich schon alle Kraft gekostet, die ich hatte. Das Gefühl der Schande, das da anfing, wo die Schwäche aufhörte, brachte mich fast um.
    »Ich traue dir nicht, Prinzessin. Ich weiß nicht, was du denkst und was du tun wirst, aber ich traue dir nicht.« Er kramte in einer schiefen Schublade herum und hielt dann eine Hand voll Seidenkrawatten in die Höhe.
    »Das würdest du nicht wagen.«
    »Du kannst mich nicht daran hindern.« Er grinste.
    Ich wehrte mich, aber es half nichts. Er summte leise vor sich hin, während er meine Hände an den Handgelenken zusammenband. Als er nach meinen Knöcheln griff, die nur von Strümpfen bedeckt waren, ließ mich tief anerzogene Schicklichkeit schwach nach ihm treten.
    »Niemand«, japste ich, »hat jemals meine Knöchel berührt.«
    »Niemand hat jemals gedroht, mich zu töten, und das zehnmal auf zehn verschiedene Arten an einem einzigen Tag.«
    Geschickt schnappte er sich meine Knöchel und wand ein rotweinfarbenes Seidenband darum. »Aber ich brauche diesen Job. Mittlerweile habe ich mich durch jedes Theater und jede Bar der Stadt gesoffen, und nach dem hier wäre meine nächste Station Deep Darkside und Beggar’s Row. So tief will ich nicht sinken.«
    Er redete mit sich selbst. Ich war gefesselt an Händen und Füßen, zusammengeschnürt wie eine Fliege in
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