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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen
Autoren: Delilah S. Dawson
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vorsichtig, aber neugierig und ohne ein Lächeln. In Caspers Gegenwart fühlte ich mich unsicher, ein Gefühl, das ich ihm zutiefst übel nahm; schließlich existierte eine Prinzessin nur, um bewundert und gefürchtet zu werden. Noch ein Punkt gegen ihn. Ich sah an mir herab auf den zerknitterten Sack eines Kleides, der an meinem ausgemergelten Körper herunterhing. Es war einmal mein drittbestes Kleid gewesen, hochmodisch, handgenäht mit Goldfaden. Was musste er von mir denken, schwach und mädchenhaft, und in einem Koffer zurückgelassen, um darin zu verrotten? Und doch lauerte da etwas Hungriges in seinem Blick.
    Ich würde ihm schon zeigen, was er von mir zu denken hatte. Ich bückte mich, um ihm seine Krawatte zu geben.
    »Hier ist mein Angebot.« Ich faltete die Hände und ahmte den akkuraten Tonfall meiner Mutter nach. »Ich muss zu meinem Volk zurückkehren. Ich verstehe, dass ich gejagt werde und dass ich leicht zu erkennen bin, und ich gebe zu, dass ich nur wenig über das armselige Leben außerhalb des Eispalastes weiß. Du wirst mich tarnen und nach Moskovia geleiten, als mein Führer und Wächter. Du wirst mir helfen, herauszufinden, welche Macht Ravenna über mein Königreich hat, und du wirst mir helfen, sie abzusetzen. Wenn wir Erfolg haben, wirst du der Hofmusiker der Zarina von Frostland sein, Komponist am Schneehof von Moskovia. Du wirst nie wieder etwas entbehren müssen. Was auch immer du bist, du wirst alles haben, was du brauchst. Alles, was du dir wünschst.«
    »Alles, was ich mir wünsche?« Eine seiner Augenbrauen ging nach oben, und eine eigenartige Vorahnung ließ mich schaudern. Ich ignorierte es.
    »In angemessenem Rahmen.«
    Kaltes Schweigen hing zwischen uns, und die Spiegelscherben auf dem Boden leuchteten heller als Schnee.
    »Du hast keine Erfahrung mit Verhandlungen, oder?«, fragte er schließlich.
    »Wie bitte?«
    »Nun, im Grunde hast du mir erklärt, falls ich das Unmögliche schaffe, dich über einen mehr als tausend Meilen langen Weg am Leben zu erhalten und einen der mächtigsten Despoten der ganzen Welt zu stürzen, dann darf ich im Schnee herumsitzen und Cembalo spielen, wann immer du mit deiner kleinen Klaue winkst. Aber ich werde trotzdem noch ein Untergebener sein, nicht wahr? Dein Haus- und Hofsklave.« Er gluckste und lehnte sich an die Wand, mit überkreuzten, nackten Füßen. »Sowas nennt man eine Mogelpackung – einen Handel, auf den sich nur ein Dummkopf einlässt.«
    »Mir kommst du wie ein Dummkopf vor.«
    »Was, weil ich hier auf dem Dachboden hocke und Piano spiele für irgendwelche blutsaugenden Fabrikarbeiter, die Beethoven nicht von Brahms unterscheiden können? Weil ich die meiste Zeit über betrunken bin und mir etwas Stärkeres als Alkohol wünsche? Oder weil ich Mitleid hatte mit einem Wesen, das ich für ein hungerndes Kind hielt, das sich aber als mörderische kleine Eisschlampe entpuppt hat, die die Weltherrschaft an sich reißen will?«
    Als er so auf mich zukam in dem winzigen Zimmer, schwer atmend vor Zorn und leicht gebeugt, entdeckte ich in ihm einen Schatten der inneren Bestie eines Bludmannes, und ich fragte mich, was er wirklich war. Aber nach außen hin lächelte ich über seine kleine Tirade.
    »Du bist ein Dummkopf, weil du mich unterschätzt.« Ich fuhr mit dem Daumen über die scharfe Kante der Spiegelscherbe, die ich hinter meinem Rock verborgen hielt. Für nur einen Moment hatte er mir den Rücken zugedreht, und ich hatte sie vom Boden aufgehoben.
    Dann machte ich damit einen Satz auf seinen Hals zu.
    Es war gar nicht so viel Kraft oder Wucht nötig, um ihn von den Füßen zu holen – er musste betrunkener sein, als er aussah. Er riss den Arm hoch, gerade noch rechtzeitig, um meinen Hieb nach seiner Halsschlagader abzuwehren, und ich fauchte und zielte auf seine nackte Schulter. Die Spiegelscherbe bohrte sich in seine Haut, und noch während er aufschrie und versuchte, sich freizustrampeln, zog ich sie wieder heraus und drückte meine Lippen auf die Wunde.
    Endlich. Echtes Blut. Direkt vom Tier, so wie es sich gehörte. Phiolen konnten einfach nicht mithalten mit diesem Rausch, dieser ekstatischen Wonne.
    Außer–
    Ich wich zurück und starrte auf das Blut, das aus der Wunde tropfte. Es war nicht richtig, irgendwie.
    In dieser Sekunde der Neugier, während Casper seine Schulter umklammert hielt und in Worten fluchte, die ich noch nie zuvor gehört hatte, landete etwas Schweres fauchend auf meinem Rücken. Klauen gruben sich in
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