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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen
Autoren: Delilah S. Dawson
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einem Spinnennetz – oder, ehrlicher gesagt, wie eine Spinne, vorübergehend gefesselt von einer sehr törichten Fliege. Mein Verstand schaltete von Flucht auf List um, und ich hielt ganz still und ließ ihn weitermachen. Je mehr ich über meine Beute lernen konnte, die zu meinem Geiselnehmer geworden war, umso besser standen meine Chancen, ihn zu schlagen.
    »Was ist passiert?«, fragte ich sanft.
    »Ich bin gestorben. Du weißt nicht, wie das ist. Oder, vielleicht weißt du es ja doch, jetzt. Aber die Musik ist alles, was ich noch habe. Ich war berühmt. Gefeiert, in zwei verschiedenen Welten. Und beide Male habe ich alles verloren. Ein Mädchen, von dem ich dachte, dass ich es liebe, hat mir erzählt, dass der Verlust meine Erlösung sein würde. Aber weißt du was? Ich fühle mich nicht erlöst.«
    »Niemand ist je völlig selig«, fügte ich besänftigend hinzu.
    Er holte eine Münze aus seiner Tasche und begann, sie über seine Fingerknöchel hin- und herwandern zu lassen. Seine Augen waren geschlossen, und ein Ausdruck von Schmerz huschte über sein Gesicht. Immer schneller drehte sich die Münze in den letzten Strahlen der abendlichen Sonne, glitzerte im Licht und zeigte mir das in Kupfer gegossene Gesicht eines freundlichen älteren Herrn mit Schnurrbart. Ich bewegte keinen Muskel und beobachtete einfach nur meine Beute, wie ich es gelernt hatte. Er schluckte schwer, und ich konzentrierte mich auf seine Lippen, auf die sinnliche Krümmung der Unterlippe, und wartete darauf, was er als Nächstes enthüllen würde.
    »Oi, Maestro«, rief da jemand mit blecherner Stimme von irgendwo hinter der geschlossenen Tür. »Das ist deine letzte Chance, Kumpel. Wenn du nicht in der Gosse enden willst, dann kommst du besser runter und fängst an zu spielen.«
    »Noch mehr Drohungen«, murmelte er leise. »Heute muss Montag sein.«
    Er überprüfte noch einmal die Knoten, und als er merkte, dass ich es geschafft hatte, sie nur ein winziges bisschen zu lockern, zog er sie so fest zusammen, dass ich auf ganz undamenhafte Art aufkreischte.
    »Wie kannst du es wagen –«
    »Du weißt ganz genau, wie ich es wagen kann.« Er ließ den Blick über mich schweifen und atmete tief ein, als wolle er die Luft riechen. »Denke einfach nur daran, wenn du deine Kraft wiedergewonnen hast, dass ich dir viel Schlimmeres hätte antun können.« Er leckte sich über die Lippen, während sein Blick auf dem tiefen Ausschnitt meines Kleides ruhte, so düster, dass es mich siedend heiß durchfuhr. Ich zeigte ihm die Zähne.
    Er tätschelte mir übers Haar, und ich schüttelte ihn mit einem Fauchen ab. Die Bewegung erschöpfte mich über alle Maßen, aber ich hasste den Gedanken, dass seine schmutzigen Bauernhände mich anfassten. In meinem Kopf tötete ich ihn zum tausendsten Mal, lachend, während sein Blut meine Zähne färbte.
    »Ich werde nicht an das denken, was du nicht getan hast«, flüsterte ich, während ich mich auf der Seite zusammenrollte und bereitmachte, zu schlafen, in Ohnmacht zu fallen, oder was auch immer mich da ständig überkam. »Ich werde nur an das hier denken.«

4.
    I mmer wieder driftete ich zwischen Schlafen und Wachen hin und her und war zu leer, um zu träumen. Als ich wieder aufwachte, konnte ich irgendwo unter mir sein Cembalo hören, manchmal lieblich, langsam und lockend, manchmal laut, aufdringlich und begleitet von stampfenden Stiefeln, obszönen Rufen und Gesang. Doch zugleich war da immer ein melancholischer Unterton in den Melodien, eine Trauer, die zwischen den Noten selbst der fröhlichsten Weisen durchschimmerte. Es war das, was auch ich in mir fühlte – ein gähnender Abgrund des Kummers, der sich nicht überbrücken ließ. Aber dagegen würde ich etwas tun.
    Als die Tür sich endlich öffnete, war ich so gut wie wach, lag auf der Seite und nagte mit meinen Reißzähnen fleißig an der Seidenkrawatte um meine Handgelenke. Ich versuchte erst gar nicht, es vor ihm zu verbergen, sondern lächelte nur über dem, was von seiner Krawatte noch übrig war, und machte weiter. Mit der schwarzen Katze auf den Fersen duckte er sich durch die Tür und tat so, als sei ich gar nicht da. Er warf seine Handschuhe auf die Kommode und ließ nacheinander seine Fingerknöchel knacken, während er mich sinnend betrachtete.
    »Du bist ein angriffslustiges kleines Monster, nicht wahr?«, fragte er schließlich, leicht lallend.
    »Ich bin kein Monster.« Damit spuckte ich einige Überreste seiner Krawatte aus und rieb mir
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