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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
Autoren: Christian Mähr
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Berlin, er hatte an verschiedenen deutschen Universitäten Chemie, Physik und Hüttenwesen studiert und wurde 1738 besoldetes Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften, genoss also aufgrund seiner chemischen Forschungen hohes Ansehen. 1747 trug er seine Erkenntnisse über den hohen Zuckergehalt der Runkelrübe der Akademie vor. Er erarbeitete auch ein Verfahren, wie man den Zucker aus der Rübe extrahieren konnte – dann überließ er alles Weitere aber seinem Freund und Schüler Franz Carl Achard, der eigentlich Francois Charles Achard hieß und von hugenottischen Flüchtlingen aus Frankreich abstammte. Diese wurden aus Frankreich vertrieben, König Friedrich Wilhelm I. bot ihnen eine Heimstatt in Preußen; nicht ohne Hintergedanken: das waren durch die Bank sehr fähige Leute – die »Computer-Inder« des 18. Jahrhunderts. Achard war eine schillernde Persönlichkeit und Kristallisationspunkt zahlreicher Anekdoten, vor allem wegen seines exzentrischen Privatlebens. 1776 heiratete er gegen den Willen aller Verwandten eine nicht französisch-reformierte, neun Jahre ältere, geschiedene, vor allem aber arme(!) Frau aus Frankfurt an der Oder, ließ sich sieben Jahre später von ihr scheiden und begann ein Verhältnis mit deren Tochter aus erster Ehe. Für das eher nüchterne Preußen war das schon ein starkes Stück. Achard war Direktor der physikalischen Klasse der Akademie der Wissenschaften in Berlin und stellte vielfältige physikalische und chemische Forschungen an. Berühmt geworden ist er aber durch den Zucker, dessen Produktion unter mitteleuropäischen Verhältnissen er mit deutscher (oder soll man sagen: hugenottischer?) Gründlichkeit erforschte. Zunächst untersuchte er verschiedene heimische Pflanzen auf ihren Zuckergehalt, um dann wieder bei der Runkelrübe seines Meisters Marggraf zu landen. Mehrere Jahre bemüht er sich nun, den Zuckergehalt der Rübe beta vulgaris zu erhöhen. 1799 ist er mit den Ergebnissen zufrieden. Er schickt dem König eine Probe weißen Zuckers, gewonnen aus in märkischem Boden gewachsenen Runkelrüben, und bittet um ein Darlehen zur Aufnahme größerer Produktion.
    Nun geschieht etwas Seltsames: Friedrich Wilhelm III. ist ein scheuer, linkisch wirkender Mann, der ungern spricht und ebenso ungern Entscheidungen trifft. Friedrich Wilhelm ist sparsam, an Pomp nicht interessiert. Sein Freizeitvergnügen besteht in Spaziergängen mit seiner geliebten Königin Louise im Berliner Tiergarten, wo ihn Passanten mit »Guten Tag, Herr König!« grüßen. Auch kulinarisch ist der Preußenkönig wohl nicht zuckeraffin. Als man ihm statt brandenburgischer Hausmannskost edlere Genüsse nahelegt, bemerkt er, sein Appetit habe durch die Krönung nicht zugenommen. Und an diesen Mann richtet Franz Karl Achard sein Darlehensgesuch zur Gründung einer Zuckerfabrik. Noch der Großonkel des Königs, Friedrich der Große, hatte ausländische Erzeugnisse verabscheut, nicht, weil sie ausländisch waren, sondern weil sie für teures Geld eingeführt werden mussten. Hohe Zölle sollten das eindämmen. Berühmt ist seine Antipathie gegen Kaffee. Zucker hat er aber schon gegessen, allerdings ließ er nur geringe Mengen der schlechtesten und billigsten Sorten einführen und aus der Privatschatulle bezahlen; der am Hof weilende Voltaire hat sich darüber beklagt, wie schlecht raffiniert der zugeteilte Zucker sei.
    Die Zeiten haben sich geändert. Friedrich Wilhelm III. gewährt Achard einen Hypothekarkredit von 50000 Talern. Innerhalb von vier Tagen! Achard kauft das an der Oder gelegene Gut Cunern und beginnt dort mit der Zuckerproduktion. Schon 1802 kommt der erste preußische Zucker in den Handel. Seine Fabrik, die erste Rübenzuckerfabrik der Welt, brennt zwar 1807 ab, jedoch lässt der König die Hypothek als Anerkennung für Achards Verdienste löschen, verpflichtet ihn, das Gut Cunern zu einer Lehranstalt umzuwandeln, wo Interessierte die Rübenzuckerproduktion erlernen können.
    Wie kam es beim Zauderer Friedrich Wilhelm zu dieser raschen Entscheidung? Einen Hinweis gibt folgende kuriose Geschichte: Im Jahr 1800 wurden Achard von anonymen Personen 50000 Taler angeboten, wenn er seine Zuckersiederei aufgebe, zwei Jahre später erhöhte man auf die unglaubliche Summe von 220000 Talern. Achard blieb standhaft und schlug die Angebote aus. Hinter diesen Bestechungsversuchen steckte die englische Zuckerindustrie, die ihren europäischen Markt zusammenbrechen sah. Für das arme Preußen war der
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