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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
Autoren: Christian Mähr
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spanischer Sehnsuchtsort, Sinnbild des ganz anderen, nun also Deutschen . Denk ich an Deutschland in der Nacht – fällt mir Rübenzuckermelasse ein. Die einheimische Rohrzuckermelasse als besonderen Gesundheitsstoff zu bewerben, war auf Teneriffa wohl aussichtslos, wächst dort das süße Rohr doch als allergewöhnlichstes Ziergras in den Hausgärten; gut sein kann nur, was von weit her kommt.
    Der Zucker hat die Welt verändert.
    Weil er in den Hirnstoffwechsel eingreift. Und weil er ein so schönes Symbol ist. Der weiße Zucker und der weiße Mann … Riesige Assoziationsketten knüpfen sich daran wie von selbst. Der Zucker ist aufgeladen . Wir lieben ihn oder wir meiden ihn. Aus gesundheitlichen und vielen anderen Gründen; egal aus welchen, jeder und jede darf sich das Passende aussuchen.
    Man vergisst leicht, dass wir mit dem Fortschreiten US-amerikanischer Kulturdominanz auch alle ein bisschen protestantischer werden. Luxus ist schädlich, kein Wunder, wenn ein Luxusgut, wie es der Zucker war, seine Schädlichkeit nicht nur beibehält, sondern verhältnismäßig vermehrt, wenn man ihn massenhaft konsumiert; beim Zucker ist die Rationalisierung dieser Schädlichkeit durch anhaftendes Sklavenelend besonders einfach; ich halte mich und meine Kinder vom Zucker fern, weil er die Zähne ruiniert, fett macht und so weiter, in Wahrheit aber, weil er eine Sünde ist. Der Protestantismus in seinen weltlichen Formen bietet eben die Möglichkeit, fromm zu sein, ohne etwas glauben zu müssen. Wenn ich dennoch Zucker esse, tue ich es mit schlechtem Gewissen – und dieses schlechte Gewissen hat eine seltsame Auswirkung auf den genossenen Zucker.
    Er wird süßer.

DDT
    DDT – Dichlordiphenyltrichloräthan . Schon die zungenbrecherische Bezeichnung hat etwas Abschreckendes, vor allem, wenn sie wie hier in einem Wort geschrieben wird. Das erinnert an gewisse Buchstabenrätsel, bei denen man bekannte Wörter aus einer zwischenraumlosen Kette herauslesen muss. Woher soll ein normaler Mensch wissen, wo ein Wortbestandteil aufhört und der andere anfängt? Dabei bezeichnet das Wortmonster nichts anderes als die Bestandteile des Moleküls. di- und tri- sind die aus dem Griechischen stammenden Zahlbezeichnungen für »zwei« und »drei«. Warum Griechisch? Weil die Wissenschaftler, die diese Benennungen im 19. Jahrhundert eingeführt haben, sich gar nichts anderes vorstellen konnten als Griechisch oder Latein, wenn es um wissenschaftliche Bezeichnungen ging, egal, ob Medizin, Zoologie, Physik oder Chemie betroffen waren. All diese Herrschaften hatten ein humanistisches Gymnasium besucht und waren mit Griechisch traktiert worden. Diese Griechenaffinität der abendländischen Naturwissenschaft ist ein Beispiel für die seltsame Tatsache, dass zeitlich weit auseinander liegende Epochen geistig näher verwandt sind als zeitliche Nachbarn. Der Grieche Demokrit hatte sich schon lange vor Christi Geburt die Atome ausgedacht (und niemals etwas in die Hand genommen, was einem wissenschaftlichen Instrument auch nur entfernt ähnlich gesehen hätte). Dabei übersah man großzügig, dass der die letzten tausend Jahre deutlich populärere Grieche Aristoteles von den Atomen überhaupt nichts hielt. Aber das durfte man verzeihen, vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bis in die Gegenwart des 19. Jahrhunderts bedeutende Köpfe die Existenz von Atomen bezweifelten. Der österreichische Physiker Ernst Mach, nach dem die Einheit der Schallgeschwindigkeit benannt ist, pflegte jedes Gegenüber, das von Atomen zu reden begann, mit der berühmten Sentenz zu unterbrechen: »Ah, Atome! – Ham´s’ scho eins gsehn?«
    Aber es ist wahr: Eben weil Demokrit die Existenz kleinster unteilbarer Teile der Materie, sogar unterschiedliche Sorten von ihnen durch reine Spekulation gewonnen hatte, hätte er die Struktur einer Substanz wie DDT verstanden. Hergeholt mit einer Zeitmaschine aus dem vierten Jahrhundert v. Chr., würde man ihm die Sache in fünf Minuten auseinandersetzen (flüssiges Altgriechisch vorausgesetzt). Dasselbe stieße bei einem Scholastiker des Hochmittelalters auf deutlich größere Schwierigkeiten – wie auch bei ganz normalen Mittelschülern der Gegenwart.
    Wenn man es einfach macht, dieses Erklären, braucht es aber nicht einmal fünf Minuten.

    Die Abkürzung Cl steht für jeweils ein Chloratom, alle Ecken in der Zeichnung sind von Kohlenstoffatomen (C) besetzt, die Wasserstoffatome (H) sind weggelassen, die dürfen Sie
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