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Vom Regen in die Traufe

Vom Regen in die Traufe

Titel: Vom Regen in die Traufe
Autoren: Arto Paasilinna
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wahrlich sein Kreuz zu tr a gen. «
    Hermanni erz ä hlte Einzelheiten. Der M ö nch hatte als ju n ger Mann eine ebenfalls junge Frau, eine Norwegerin, die in der Fischmehlfabrik arbeitete, in seine Zelle gelockt, mehrere N ä c h te lang. Aber dann war alles herausgekommen, und der Abt hatte ü ber den triebhaften M ö nch ein schreckliches Urteil verh ä ngt. Um Vergebung zu erlangen, musste er von Stund an bis an sein Lebensende eine S ü ndenlast tragen. In der Praxis sah das so aus, dass dem M ö nch hinter dem Kuhstall des Klosters ein gro ß es Gel ä nde zugewiesen wurde. Dort sollte er S ä cke mit Erde f ü llen, sie anschlie ß end zum Feldrain tragen und zu einem H ü gel aufsch ü tten. Jeden Tag schleppte der arme M ö nch zehn oder sogar f ü nfzehn S ä cke mit Erde zum Bestimmungsort, wo der H ü gel im Laufe der Zeit immer weiter in die H ö he wuchs. Doch die Zwangsarbeit wurde dadurch nicht leichter, im G e genteil, je ä lter der M ö nch wu r de, desto h ö her ragte der H ü gel auf und desto mehr Anstrengung kostete es, die mit Erde gef ü l l ten S ä cke hinaufzuschle p pen. Aber was tut ein frommer Mensch nicht alles, um Vergebung zu erlangen! Als der beda u ernswerte M ö nch schlie ß lich starb, war der einstige H ü gel schon ein gro ß er Berg, vielleicht nicht ganz so hoch wie der Ukonkivi, aber immerhin doch von solchen Ausma ß en, dass die Touristen ihn bestaunten und fotografierten.
    » Im Winterkrieg wurde das Kloster niedergebrannt, und ru s sische Panzer fuhren auch ü ber den S ü ndenh ü gel hinweg, sp ä ter gruben die Russen Unterst ä nde hinein, denn die Erde dort war weich, w ä hrend ansonsten in Petsamo steiniger Boden vorherrscht, an manchen Stellen in der K ü stenregion am Ei s meer gibt es sogar nur blanke Felsen. «
    Hermanni wusste au ß erdem, dass die Russen geplant ha t ten, an den H ä ngen des S ü ndenh ü gels Kohl anzubauen, diesen Plan aber nicht mehr in die Tat umsetzen konnten. Im Fortsetzung s krieg wurde Petsamo zur ü ckerobert, und deutsche Besatzer lie ß en sich dort nieder. Sie verteilten die vom M ö nch herang e schleppte S ü hneerde im Gem ü segarten vor ihrem Stabsgeb ä u de, und dem Vernehmen nach gediehen in dieser von Qual, Schwei ß und Reue getr ä nkten Erde viele seltene Pflanzen, sogar die blaue Weintraube, was als ganz gro ß e Ausnahme galt. Und nach dem Krieg schlie ß lich, als Petsamo erneut den Besitzer wechselte, legte die Kolchose vom Nicke l bergwerk Petschenga in jener M ö nchserde ein Kohlfeld an, so wie es die Russen nach dem Winterkrieg urspr ü nglich bea b sichtigt hatten.
    Von der Spitze des Ukonkivi bot sich nach allen Richtungen ein prachtvoller Ausblick. Die Sommernacht war blaunebelig, die aufgehende Sonne f ä rbte den nord ö stlichen Horizont rot, die Natur ruhte still da, und auf dem ganzen weiten Inarisee war kein einziges menschliches Wesen unterwegs.
    » Jetzt will ich den alten lappl ä ndischen G ö ttern mein Opfer bringen! «
    Hermanni vermutete, dass sich die Opferst ä tte in jener H ö h le befand, die am steilen Osthang der Felsinsel lag. Dor t hin zu gelangen kostete gro ß e M ü he, die Felswand war infolge des Nachtfrostes sehr rutschig. Und nat ü rlich passierte das U n gl ü ck: Lena Lundmark glitt ihm aus den H ä nden und in rasa n tem Tempo in eine Felsspalte hinein. F ü r die Frage, ob es sich dabei um die einstige Opferh ö hle handelte, war jetzt keine Zeit. Bei Lenas Sturz blieb der Saum ihrer Nerzhose an einer trock e nen Kiefernwurzel h ä ngen und riss so heftig am kranken Bein, dass sich die H ü fte wieder einrenkte. Hermanni h ö rte ihren Schrei vom Grund der Schlucht. Er bef ü rchtete das Schlimmste und bereute, dass er sich auf die Kletterpartie eingelassen hatte, noch dazu mitten in der Nacht.
    » Mein Bein ist wieder in Ordnung! Ist es nicht herrlich, Hermanni? «
    Tats ä chlich! Lena konnte ohne Schmerzen ihr Bein bew e gen. Hermanni hangelte sich zu ihr hinunter und fand sie tief dri n nen in der H ö hle, wo sie Parf ü m auf die Felsw ä nde sprit z te. Die ganze H ö hle roch wie der Garten Eden. Die Frau opfe r te das Beste, was sie bei sich hatte. Auf der Flasche stand: Jean-Paul Guerlain, Champs-Elys é es.
    Hermanni dachte bei sich, dass die einheimischen Geister wohl erst ein wenig husten w ü rden, wenn sie diesen teuren Opferduft wahrnahmen, aber auch an den w ü rden sie sich vermutlich gew ö hnen. Auf jeden Fall war der Geruch ang e nehmer als der von
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