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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Hannes Nygaard
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mit Herrn
Dürkopp«, schob Roth nach.
    »Und Herr Banzer?«
    »Der hat in hohem Maße selbständig gearbeitet, einen
eigenen Kompetenzrahmen gehabt. Doch in allen Fällen war er mir
berichtspflichtig.«
    Große Jäger blickte erstaunt auf. »Was für Berichte
musste er Ihnen abliefern?«
    Der Hauch eines Lächelns zog über Ernst-Georg Roths
Gesicht. »Das ist eine Redewendung. Sie bedeutet, dass die Entscheidungen
letztlich bei mir lagen und er mir fachlich und disziplinarisch unterstellt
war.«
    »Hatte er sich freiwillig nach Bredstedt beworben?«
Große Jäger beugte sich etwas vor.
    Sein Gegenüber musterte ihn kritisch, bevor er
antwortete: »Er kam auf Wunsch des Herrn Dürkopp.«
    »Mit dem ausdrücklichen Auftrag, Sie zu entlasten?«
Die Frage des Oberkommissars klang fast ein wenig bösartig. Alle bemerkten den
Unterton.
    Entsprechend heftig wirkte die Antwort Roths. »Jede
professionelle Unterstützung wird dankbar akzeptiert!«
    Für Christoph klang es nicht sehr überzeugend. Der
Mann hatte zweifellos eine Menge Erfahrung in der Gesprächsführung. Er hörte
aufmerksam zu und hatte viel Geschick in der Formulierung seiner Antworten, die
sicher nicht unaufrichtig waren, aber nur das wiedergaben, was in seine Linie
passte. Mit etwas Phantasie konnte man sich vorstellen, dass Banzer nicht die
heiß geliebte Unterstützung für Roth gewesen war. Diesen Punkt wollte Christoph
bei geeigneter Gelegenheit noch einmal aufgreifen.
    »Was war er für ein Mensch? Wie war er als Kollege?«
    Der kaufmännische Leiter fuhr sich wie geistesabwesend
mit der Hand übers Gesicht. »Einen Menschen kann man nicht mit zwei Sätzen
qualifizieren. Wie war er?« Er machte eine kurze Pause, als würde er seine
Gedanken sammeln wollen, Wohlüberlegtes aussprechen, sorgfältig abwägen. »Er
war intelligent, dynamisch, zielorientiert. Er hatte eine schnelle
Auffassungsgabe, konnte das Wesentliche von Nebensächlichkeiten unterscheiden
und kam sehr schnell zum Kern eines Problems.«
    »Und wie war sein Verhältnis zu den anderen
Mitarbeitern?«, setzte Christoph nach.
    Roth presste beide Hände wie zum Gebet zusammen und
legte sie vor den Mund, sodass die Fingerspitzen die Nase berührten.
    »Das war ein gutes Verhältnis. Er war beliebt, offen
zu seinen Untergebenen, hatte stets ein Ohr für sie. Er war so etwas wie ein
zentraler Punkt in unserem Hause. Ich glaube mit Fug und Recht sagen zu können,
dass wir alle so etwas wie eine große Familie sind.«
    Noch während er sprach, merkte der Mann, dass seine
Ausführungen nicht sehr glaubhaft klangen.
    »Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Roth, aber Ihre
Darstellung ist für mich nicht sehr überzeugend. Sie kommt mir wie ein – darf
ich dieses Beispiel wählen – Zeugnistext vor. Man muss etwas Gutes sagen,
möchte aber auch nicht ins Überschwängliche verfallen, weil unausgesprochen
doch noch etwas im Raum steht.«
    »Und auch wenn Harald Banzer heute Morgen einen neuen
Job angetreten hat, sind wir beide keine Personalchefs, die nach den Dingen
zwischen den Zeilen in seinem Bewerbungsschreiben für die ewige Reise suchen«,
konnte Große Jäger nicht unterdrücken anzumerken.
    Hierfür erntete er von Christoph einen harschen,
zurechtweisenden Blick. Warum, fragte sich Christoph, musste dieser
hervorragende Kriminalist mit einem oft instinktsicheren Gespür für
Verborgenes, dieses Schnüffelschwein, immer wieder ausbrechen und wie ein Stier
in der Brunft auf sein Umfeld lospreschen?
    Durch diese unpassende Anmerkung des Oberkommissars
hatte Ernst-Georg Roth genau die Zeit gefunden, die er benötigte, um sich neu
zu orientieren.
    Er bekräftigte noch einmal, dass der Tote ein
angenehmer Mitarbeiter, ein zwar ehrgeiziger, aber überaus geschätzter Kollege
mit einem hohen Sympathiewert bei seinen Kollegen gewesen sei.
    »Hatte Harald Banzer Angehörige?«, schloss Christoph
diesen Teil des Gespräches ab.
    Roth nickte. »Ja, er ist … er war verheiratet und
hatte eine Tochter. Seine Familie lebt in Mülheim an der Ruhr, nicht weit von
Essen. Er liebte seine Tochter abgöttisch. Für sie tat er alles.«
    »Sind die Angehörigen schon benachrichtigt?«
    Erneutes Nicken. »Ich habe seine Frau vorhin
angerufen.« Seine Stimme gab kund, dass ihm dieses Telefonat nicht leicht
gefallen war.
    »Eine letzte Frage, Herr Roth. Warum sind Frau und
Tochter nicht ihrem Mann und Vater gefolgt und in diese Gegend gezogen?«
    »Harald Banzer ist immer davon ausgegangen, dass sein
Aufenthalt in
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