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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Hannes Nygaard
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durch die Scheibe
nach vorn stierte und Christophs Erscheinen nur mit einem Grunzlaut zur
Kenntnis nahm.
    Harm Mommsen wendete geschickt das Fahrzeug und fuhr
aus der Berliner Straße auf die Bundesstraße. In der ruhigen Wohnstraße am
Stadtrand von Husum bewohnte Christoph unter dem Dach eines der
Siedlungshäuschen ein kleines Appartement.
    »Welch bedeutender Anlass treibt uns noch vor sechs
Uhr früh aus dem Bett?«, wollte Christoph wissen.
    Mommsen hatte den Wagen beschleunigt, konzentrierte
sich noch einmal kurzfristig auf das Hochschalten der Gänge und begann in das
Aufheulen des Motors hinein seine Erklärung.
    »Vor circa einer halben Stunde erreichte die
Polizei-Zentralstation in Bredstedt telefonisch eine Meldung, dass mitten auf
dem Marktplatz ein Toter liegen würde. Heute Nacht hatten allerdings die
Kollegen aus Niebüll Bereitschaft, die zufällig mit ihrem Streifenwagen in der
Nähe waren. Sie fanden auf dem Marktplatz einen anscheinend toten Mann.«
    Christoph unterbrach seinen jungen Kollegen. »Was
heißt anscheinend tot?«
    »Nun ja, sofern ein Laie das beurteilen kann. Man
sollte das Urteil eines Arztes abwarten.«
    Erneut unterbrach Christoph. »Wieso wurde nicht zuerst
der Rettungsdienst und dann die Polizei gerufen?«
    Mommsen zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Das
wird noch zu klären sein. Also«, setzte er zum dritten Mal an, »die Kollegen
von der Streife fanden dort einen Toten. Ferner waren eine Zeitungsausträgerin
und ein Mann anwesend, der auf dem Weg zur Arbeit dort vorbeigekommen ist. Die
Kollegen forderten sofort den Notarzt an und informierten die Leitstelle.«
    »Und weiter?«, wollte Christoph wissen.
    »Der wachhabende Kollege im Leitstand hat umgehend die
Mordkommission in Flensburg informiert, gleichzeitig aber gemeint, es wäre
sicher nicht verkehrt, auch uns zu verständigen, selbst wenn wir nicht für
Tötungsdelikte zuständig sind.«
    »Hmmh …«, brummte Christoph. »Wer spricht denn von
einem Tötungsdelikt? Wenn ich dich richtig verstanden habe, liegt jemand in
Bredstedt auf dem Marktplatz, von dem nicht einmal sicher ist, ob er tot ist.
Wer sollte da voreilig ein Tötungsdelikt vermuten?«
    Mommsen zuckte wieder die Schultern.
    »Nun«, beantwortete Christoph die Frage selbst. »Wir
sind in der Vergangenheit nicht schlecht damit gefahren, vorsichtshalber auch
einmal nach Dingen zu sehen, die uns vordergründig nichts angehen.«
    Dann gähnte er. Die vergangene Nacht war recht kurz
gewesen. Er konnte noch nicht lange geschlafen haben, als ein dumpfes Grollen
das Herannahen eines Unwetters angekündigt hatte. Begleitet von heftigen
Windböen, die an den Dachziegeln über seiner kleinen Wohnung kräftig gerüttelt
hatten, war ein starkes Gewitter über die Region hereingebrochen. Die Blitze
zuckten grell in kurzen Abständen über das flache Land, begleitet von
markdurchdringenden Donnerschlägen. Dazu hatte der Himmel seine Schleusen
geöffnet und Unmengen von Wasser über das Land ausgekippt. So hatte ihm das
Unwetter einen großen Teil der Nachtruhe geraubt.
    Ein aufbrausendes Rauschen sowie der Sog eines mit
hoher Geschwindigkeit vorbeifahrenden Fahrzeugs holte Christoph aus seiner
kurzen Meditation zurück. Ein schwarzes Mercedes-Coupé hatte sie überholt und
entfernte sich auf der schnurgeraden Landstraße Richtung Norden.
    »So ein Idiot«, ereiferte sich Christoph. »Hast du dir
sein Kennzeichen gemerkt?«
    »Ist nicht nötig. Ich kenne den Fahrer. Das war der
Doc.«
    Gemeint war Dr. Hinrichsen, praktizierender Mediziner
in der Kreisstadt und als Polizeiarzt in dieser Region immer dann im Einsatz,
wenn vor Ort erste und schnelle Analysen und Einschätzungen erforderlich waren.
Er war zwar kein ausgebildeter Pathologe, hatte sich im Laufe der Zeit aber so
gründliche Kenntnisse angeeignet, dass sein Urteil häufig eine wertvolle Hilfe
darstellte.
    »Wer auch immer in der Leitstelle Dienst tut, hat mit
viel Umsicht gehandelt, wenn er sogar den Doktor bestellt«, sagte Christoph
anerkennend.
    Der Mann auf dem Beifahrersitz hatte während der
gesamten Zeit geschwiegen. Sein mit grauen Strähnen durchzogenes Haar hing wirr
über die Ohren. Es war ebenso ungewaschen wie der Rest des Mannes, unverkennbar
an der von ihm ausgehenden Geruchsmischung aus Schweiß, Zigarettenqualm und
abgestandenem Bier.
    Die Weste, die den über den Gürtel hängenden Bierbauch
nur teilweise bedeckte, und das fleckige Hemd trug er jetzt schon eine Reihe
von Tagen. Das
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