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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Hannes Nygaard
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die
Absicht, mich ohne Bezahlung zu entfernen. Dass meine Karte nicht funktionierte
– dafür kann ich doch nichts.« Es klang wie eine Entschuldigung.
    »Wenn du das Konto überzogen hast, ist es schon deine
Sache.« Große Jägers Ton hatte an Strenge verloren. Der Junge machte keinen
bösartigen Eindruck.
    »Nehmen wir erst einmal die Personalien auf. Wie heißt
du?«
    »Doktor.«
    Der Oberkommissar klopfte mit seinem Schreiber auf die
Tischplatte. »Frühreifer Wunderknabe?« In seiner Stimme lag Sarkasmus.
    Sein Gegenüber schüttelte eifrig den Kopf.
    »Gut. Doktor! Und weiter?«
    »Nix weiter. Simon Doktor.«
    »Bei uns sagt man Doktor Simon. Und? Der Zuname?«
    »Simon Doktor«, erklärte der junge Mann. »Doktor ist
unser Familienname. Ich bin Student in Frankfurt und wohne in Bad Vilbel. Ich
hätte ja meine Eltern angerufen, aber die sind verreist. Was soll ich denn
jetzt machen?«
    Große Jäger ließ sein Schreibgerät sinken. »Wir
schicken dich jetzt mit einer Streife zum Hotel. Dort holst du deinen Ausweis,
und dann fahren dich die Kollegen zur Tankstelle. Den Rest musst du dann mit
dem Tankwart regeln. Und«, er erhob wie ein gütiger Vater seinen Zeigefinger,
»das nächste Mal steckst du dir Geld ein, bevor du tanken fährst. Ist das
klar?«
    Der junge Mann nickte dankbar und folgte dem
Oberkommissar zum Wachraum der Streifenbeamten.
    Währenddessen hatte Mommsen mit der vorgesetzten
Dienststelle telefoniert.
    »Der Mann, der für die Fuhrparkverwaltung zuständig
ist, hat gerade eine Dienstbesprechung. Eine Vertretung gibt es nicht. Und
sonst ist keiner für unser defektes Dienstfahrzeug zuständig. Wir müssen noch
ein wenig warten. Ich habe allerdings um Rückruf gebeten.«
    Es war immer wieder die alte Leier: Der Krieg wurde am
Schreibtisch gewonnen. Unwillkürlich musste Christoph schmunzeln. Und so etwas
denkst du, der du bis vor kurzem selbst die Papierberge gewälzt hast? Für den
die Aktenlage wichtiger schien als der tägliche Kleinkrieg gegen große und
kleine Vergehen? Es ist doch erstaunlich, wie eine neue Situation zu einem
veränderten Bewusstsein führte, hielt Christoph einen inneren Dialog mit sich
selbst.
    Große Jäger war inzwischen zurückgekehrt und hatte
seine Lieblingsposition eingenommen. Zur Abwechslung bohrte er einmal nicht im
Ohr, sondern versuchte, die Nase von ungewünschten Inhalten zu befreien.
    »Ich könnte bei Jürgensen vom Erkennungsdienst anrufen
und nachfragen, ob die mittlerweile etwas gefunden haben«, überlegte er laut.
    »Nein!« Christophs Antwort klang entschieden, sodass
selbst der phlegmatische Oberkommissar aufhorchte.
    Direkt in dieses Gespräch hinein klingelte das
Telefon, und Christoph wurde zum Chef gerufen.
    Im Vorzimmer begrüßte er die Sekretärin von
Polizeidirektor Grothe. Ruth Fehling war eine große gepflegte Erscheinung, die
das natürliche Grau der Endfünfzigerin durch ein dezentes Blond überdeckte. Die
Frau war das reinste Organisationstalent, hatte wirklich alles im Griff.
    Sie nickte Christoph freundlich zu und zeigte auf die
Verbindungstür. »Der Chef wartet schon auf Sie.«
    Christophs Befürchtungen wurden nicht enttäuscht, als
er eintrat. Trotz der frühen Morgenstunde war der Raum mit dichtem
Zigarrenqualm vernebelt. Nur mit Mühe konnte Christoph ein Husten unterdrücken,
nahm dann gegenüber dem Polizeidirektor Platz.
    Der Leiter der Polizeiinspektion Husum war ein
schwergewichtiger Mann, dessen Hose mit breiten Trägern gehalten wurde. Der
silberne Haarkranz um die wie poliert wirkende Kopfmitte, die buschigen
Augenbrauen, all das trat zurück gegen den Eindruck, den der knallrote dicke
Kopf machte. Er wirkte auf Christoph jedes Mal erneut wie das Haupt eines
angriffslustigen Dithmarscher Bullen.
    Grothe war disziplinarisch nicht zuständig für die
Beamten der Kripo. Das störte ihn aber nicht im Geringsten. Dieses Land an der
Westküste war sein Gebiet. Hier herrschte Recht und Ordnung nach seinen
Vorstellungen. Das hieß aber nicht, dass er sich außerhalb bestehender Regeln
und Gesetze stellte. Er verstand es nur vortrefflich, sein schwieriges Amt mit
der richtig dosierten Portion Menschlichkeit zu versehen. Vor allem aber wurde
er von seinen Untergebenen geschätzt, weil er sich stets hinter seine Leute
stellte und auf sein Wort hundertprozentig Verlass war. Deshalb kam auch
niemand auf die Idee, ihn anders als den »Chef« zu bezeichnen.
    Wie es seine direkte Art war, begann er ohne lange
Vorrede.
    »Ich habe
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