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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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gefüllten Bücherwand, die ich seit ewigen Zeiten vergrößern wollte, den Papierkorb, der längst geleert gehörte, meinen PC, den Drucker, den Scanner, das mit Erinnerungszetteln gespickte Telefon und all den Kram, den ich seit jeher kannte und deshalb gar nicht mehr richtig wahrnahm. Nirgendwo im Raum zeichnete sich eine vage Struktur zwischen Licht und Dunkelheit ab, die mir fremd vorgekommen wäre. Da gab es nur mich und die Dinge um mich herum. Nichts war ungewöhnlich oder gar beängstigend.
    »Ach ja. Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt. Wie unhöflich«, sprach die fremde Stimme weiter. »Ich heiße Mark. Wir sind uns leider nie begegnet, als ich noch einen Körper hatte. Schade eigentlich.«
    Ich hörte einen lang gezogenen Seufzer und schluckte schwer. Litt ich plötzlich unter Wahnvorstellungen und bildete mir Geister ein, die mit mir sprachen?
    »Du bist nicht verrückt, Lea. Der Einzige, der hier ungewöhnlich ist, bin ich.« Mark lachte aufmunternd. »Als Erstes: Mich gibt’s wirklich. Ich bin zwar vor ewigen Zeiten verstorben – wann genau, spielt keine Rolle –, aber ich existiere. Und zweitens: Ich bin hier, um dir zu helfen«, erklärte er. Seine Stimme hatte erstaunlich viel Kraft. Sie klang tief und männlich. Das nahm mich gleich gefangen. Zweifellos sprühte Mark vor Energie. »Du spürst mich schon eine ganze Weile in deinem Leben, deswegen deine seltsame Unruhe. Und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, mit dir Kontakt aufzunehmen.« Ich lachte gequält auf. »Du irrst. Ich spüre dich nicht, Mark«, ich zögerte, weil ich zum ersten Mal den Namen einer mir unbekannten Existenz aussprach. Wenn man jemanden kennenlernt und ihn beim Namen nennt, ist das immer ein besonderer Augenblick. Nicht umsonst werden Verkäufer dahingehend geschult. Die Nennung des Namens schafft Intimität und verbindet. »Wie auch immer, ich weiß nicht, worum es hier geht«, sagte ich, darum bemüht, ruhig zu bleiben. Mark ließ sich von meinem kurzen Statement nicht aus der Ruhe bringen und gab mir stattdessen weitere Informationen. »Ein schwieriger Fall wartet auf dich, Lea. Er wird dir einiges abverlangen, aber auch etwas verdeutlichen.« Mark schwieg einen Moment, als müsste ich das Gesagte erst verdauen. Und genau das versuchte ich auch. Ich bemühte mich durchzublicken und etwas zu begreifen, das mir unbegreiflich erschien. Ich wollte verstehen, was vor sich ging. Doch wie schnell schaffte es ein Mensch, sich klarzumachen, dass es Geister gab? Mark wandte sich erneut an mich. Mit besonnener Stimme sprach er auf mich ein. »Ich bin hier, um den Fall, den ich gerade erwähnt habe, gemeinsam mit dir zu lösen«, prophezeite er.
    Ich sollte einen neuen Fall mit jemandem namens Mark lösen, der bereits tot war, sich mir aber trotzdem mitteilen konnte? Ein langsam rotierender Kreis schien sich, einer unentrinnbaren Schlinge gleich, um mein Gehirn zu ziehen. Ich war kurz davor durchzudrehen. Das, was ich gerade erlebte, gab es nicht. Weder diesen Fall. Noch einen Geist, der mit mir sprach.
    Doch Mark lächelte nur. Zumindest fühlte es sich in meinem Inneren so an, als täte er es. Und dann erzählte er mir mit kurzen, einprägsamen Worten das Nötigste über den Tod, das Sterben und das, was danach kam. »Ich bin keineswegs tot«, erzählte Mark behutsam. »Das Leben ist unendlich. Aber das wissen nur wenige Menschen. Ich lebe nicht weiter, Lea. Wer weiterlebt, hat eine Unterbrechung erfahren, sonst gäbe es das Wort ›weiter‹ ja nicht. Ich lebe, das ist die ganze Wahrheit«, erklärte er. »Nur eben anders, als du es dir vorzustellen wagst.«
    »Als Geist, vermute ich mal«, murmelte ich zaghaft und unterdrückte gleich darauf ein hysterisches Lachen. Gut, mein Leben war gerade eine Herausforderung. Aber war ich tatsächlich derart überlastet, dass ich mir Geister einbildete? Mark schien meine Gedanken pfeilschnell aufzufangen.
    »Geist?« er lachte vibrierend auf. Jedenfalls fühlte sich irgendetwas in mir an, als täte er genau das. »Das Wort gibt es ausschließlich in der materiellen Welt. In deiner, Lea. In meiner existiert es nicht. Das ist etwas für euch, die ihr noch in der Dualität zu Hause seid. Gut und schlecht, schwarz und weiß, heiß und kalt. Tot oder lebendig.« Was redete Mark da über Dualität und die materielle Welt. Was, um Himmels Willen sollte es denn sonst noch geben, außer dem, was ich und alle anderen, mit denen ich zu tun hatte, kannten? Ich schluckte und fasste mir an den Kopf.
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