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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle
Autoren: Gabriele Diechler
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auf wie ein Schweinchen und ich drehte mich weg. Nur die Ruhe bewahren. Vielleicht sollte ich doch mal in einem von Mamas zurückgelassenen spirituellen Büchern schmökern. Ich hatte Hilfe dringend nötig.
    Mein Vater ging mit einer Systematik, die seinesgleichen suchte, daran, meinen Kopf mit seinen Wörtern vollzustopfen. Hast du dies, kannst du mal das, mach das doch mal so, ich hab halt mehr Erfahrung und so weiter und so fort. Er trompetete ständig in meine Ohren. Kaum über die Schwelle meiner Wohnung getreten, tapezierte er mein Leben mit seinen Launen und Vorstellungen, und das, wo ich gar nicht renovieren wollte.
    Viele Jahre lang hatte ich mir ernsthaft darüber Gedanken gemacht, es hinge vielleicht damit zusammen, dass mein Vater in seinem kreativen Beruf bereits alles an Spielfreude und Spontaneität auslebte. Da blieb im privaten nur noch ein Rest an Funktionalität übrig, den er uns, meiner Mutter und mir, als ungenießbaren Happen zuwarf. Aber was brachte das Grübeln außer neuen Falten?
    Jetzt hieß es, die Klippen des Lebens elegant zu umschiffen, ohne die gegnerische Flotte komplett zu vernichten und selbst Schiffbruch zu erleiden. Wie ging man mit einem Mann um, der einen gottgegebenen Anspruch auf die Rolle des Leithammels erhob? Schon nach einigen wenigen Stunden mit ihm war ich mir sicher, dass wir zwei zusammengepferchte, vom Schicksal überrannte Gefühls-Asylanten waren. Familienuntauglich.
    »Ich habe mal einen Plan erstellt, wer was wann zu tun hat. Im Haushalt, meine ich.« Das durfte doch nicht wahr sein. Jetzt schrieb er mir schon vor, wie ich zuhause vorzugehen hatte. Dabei war er noch gar nicht richtig eingezogen. »Ich habe ja noch mein Sportprogramm und hin und wieder ruft auch noch mal ein Kunde an. Ich muss also sehen, wie ich klar komme.« Papa senkte seinen Blick und ich wusste Bescheid. Er, der Pensionist, musste sehen, wie er klarkam. Natürlich, Papa war studierter Kunsthistoriker und Restaurateur gewesen. Zwar wurde er auch heute immer wieder mal kontaktiert, weil er wirklich eine Koryphäe war. Aber offiziell war er in Pension. Ich vermutete, dass das der Grund war, weshalb Renate ihn rausgeschmissen hatte. Nicht die Pension, sondern die immer noch eintrudelnden Anrufe und Anfragen, ob er eines der teuren Kunstwerke retten könne. Sein penibles Wesen einschließlich seiner Neurosen wurden unerträglich, wenn er arbeitete. Sie waren zwar die kostenlose Draufgabe, das i-Tüpfelchen, das ihn zu einem Ass machte. Doch so lange ich denken konnte, hatte Papa seine Arbeitswut nicht kaschieren können, sie stand im Mittelpunkt seines Lebens. Er liebte seine Lacke, Farben, Pigmente, Lösungsmittel und seine Essig-Sammlung, auf die er schwor. Mehr als alles andere. Sogar mehr als seine Frauen. Die waren die Dreingabe. Dieses Sammelsurium hatte unsere Wohnung früher wie ein Trümmerfeld aussehen lassen. Auch das war Mama stillschweigend, aber gehörig auf die Nerven gegangen.
    Natürlich sah es auch bei mir bald wie in einer Praxis aus, in der kunstvoll operiert wurde, denn selbstverständlich war mein Vater bereits an dem Tag, an dem er bei mir vorstellig geworden war, mit Sack und Pack eingezogen. »Das kleine Kämmerchen neben deinem Schlafzimmer reicht mir völlig!«
    »Das ist mein Büro, Papa!«, hob ich an, verstummte aber schnell. Verflixt, ich saß längst in der Patsche. Was machte es da schon aus, dass Papa gleich einen Anruf erhielt. Kaum hatte er das Telefon zurückgelegt, da fing er auch schon damit an, mit Elefantendung das schadhafte Werk eines Künstlers aufzufüllen. Wo hatte er den Dung nur her? Sein scheußlicher Gestank drang durch alle Ritzen und Spalten der Türen. Ich wusste, dass mein Vater nach dem ersten Wort von mir damit ankommen würde, was mit dem Elefantendung zu verdienen sei. Vermutlich eine Menge. Wogegen ich lediglich ein überschaubares Einkommen verbuchte.
    Was trieb ihn nur dazu, bei mir wohnen zu wollen? War es die Einsamkeit? Angst vorm Alter? Oder etwa die Erinnerung an gute alte Zeiten mit mir, als ich klein und rotznäsig war und er etwas versäumt hatte? Das konnte er jetzt, noch immer holprig im Umgang mit mir, sicher nicht nachholen. Er hätte sich ein Penthouse mieten können. Er hatte Geld. Aber er knauserte, als müsse er sich jeden Bissen vom Mund absparen. Die Frage, die ich mir am meisten stellte, lautete: Wohin würde unser erzwungenes Zusammenleben führen?

Drei

    Die Lage verschärfte sich, als ich einen neuen Fall
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