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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss
Autoren: Karl Gutzkow
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lobt, euern Tadel erkennen!
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    Ein alter Gesangbuchvers räth uns an, so zu leben, wie wir, wenn wir sterben, wünschen würden,gelebt zu haben. Man kann dem Spruch auch die Anwendung geben: Lebe mit jedem Menschen so, wie du, wenn er stirbt, wünschen wirst, mit ihm gelebt zu haben!
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    Denke zuweilen darüber nach: Wer wird wol einst deinem Sarge folgen? Wer wird wol einst geneigt sein, für dein Grab einen Kranz zu winden?
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    Bleiben wird von uns nur das, was wir dem Allgemeinen geweiht.
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    Nicht mit dem scheidenden Herbst fühlen wir uns älter werden, weit mehr mit dem kommenden Frühling.
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    Wol sind die Königinnen der Blumenwelt die, die auf der Höhe des Frühlings blühen, Maiblume, Jasmin und Rose. Aber auch am noch gefrornen Fenster dem schlanken Wuchs der über dem Wasserglase schwebenden Hyacinthe, dem Krokus, der noch aus dem Schneegefild heraus sein buntes Glockenköpfchen heben muß, zu lauschen, es kann über die Wonnen der Rosenzeit gehen. Erinnerung, Sehnsucht, Hoffnung sind die Begleiter der ersten Frühlingsboten und Sehnsucht beglückt oft mehr als Besitz.
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    Wir können uns in spätern Jahren vieler und oft wunderbar vereinzelter Dinge erinnern, die unser Emporkommen betrafen; allein das eigentliche Entwickeln und Wachsen unseres Wesens können wir vollständig nicht übersehen. Die Krone des Baums sieht wol auf ihre Zweige herab, aber nicht auf den Stamm. Deßhalb sind alle Selbstbiographieen, auch die strengsten und gewissenhaftesten, unvollständig.
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    Ist dein Ehrgeiz ein so brennender, daß du für jede einzelne kleine Niederlage durchaus sogleich eine Genugthuung haben willst, so kannst du dir den Lauf deines ganzen Lebens in Frage bringen. Das Schicksal gewährt Schadloshaltungen, selten aber andere als unerwartete. Harre aus – ! Das Schicksal zahlt nicht selten in solchen Fällen das Capital mit sämmtlichen rückständigen Zinsen wieder.
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    Schon die herbste Prüfung des Charakters ist die, daß man sich, eben als »Charakter«, nicht einmal soll umsehen dürfen, wenn Gassenbuben nach uns mit Steinen werfen.
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    Willst du dich in deinen alten Tagen vor Leid bewahren, so gib, wenn es irgend in deiner Kraft liegt, jede Unternehmung auf, deren Erfolg außer von dir noch von Andern oder von einer besondern Gunst des Schicksals abhängt. Auch ohne diesen äußern Grund solltenwir uns viel öfter, als wir thun, ein Geständniß über das machen, was unsere Kraft noch in ihrer vollen Gewalt hat und was nicht.
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    Wenn es uns schlecht geht, werden wir noch immer weit mehr wahres Mit-Leid finden, als wahre Mit-Freude, wenn es uns gut geht.
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    Die großen Schmerzen des Todes sind darum da, daß wir uns anständigerweise vor dem Tode fürchten dürfen.
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    Wie die Gestirne sichtbar werden, wenn die Nacht heraufzieht, so zeigt sich des Menschen wahrer Werth erst im Unglück.
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    Was dir auch begegnen mag im Leben, es soll dir, wenn nicht Alles an die Spitze des Degens, doch Nichts an den Griff kommen.
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    Habe nur keine Sorge, du bescheidener großer Mann! Haben dich die Menschen einmal anerkannt, so werden sie sich durch alle nur möglichen spätern Einwände von den für sie so drückenden Pflichten der Verehrung bald wieder loszuwinden suchen.
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    Ein glücklicher Zufall, der aber auch zu glücklich ist, gehört zu den bedenklichen Dingen.
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    Anerkennung geht in der Regel nur so weit, als sie dazu dient, dem Anerkennenden selbst Relief zu geben.
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    Von so manchem abgünstigen Urtheil sagt man wol – und manchmal in der Hauptsache mit Recht – es entspränge dem Neide. Wollte man aber der Quelle genauer nachforschen, so würde man finden, daß es nur aus einem unabweislichen Trieb zur Gerechtigkeit entsprang. Wer nun diesen Trieb entweder nicht hat oder ihn mit Vorsicht zu beherrschen versteht, der erfreut sich nicht selten der Auszeichnung, als edel gepriesen zu werden.
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    Je mehr unser Geist erfährt, desto mehr nimmt er auf. Je mehr unser Herz erfährt, desto mehr muß es hingeben.
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    Schmerz um die Wunden, die uns die Welt schlug, wird Philosophie, Schmerz um die Wunden, die wir uns selbst schlugen, Poesie.
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    Jedes Leid, das einen von Nahrungssorgen Gepeinigten trifft, wird ihm noch dreimal größer erscheinen, als an sich schon nöthig gewesen wäre. Nahrungssorgen gleichen den in einem sonst gleichmäßigen Flußbett plötzlich eintretenden Felseneinschnitten, die sofort böse Wirbel und gefährliche Stromschnellen veranlassen. In
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