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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss
Autoren: Karl Gutzkow
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Sie nennt dieß Dasein des Menschen auf der Erde eine Blüthe, eine wunderbar duftende Blüthe, unser Denken eine Fülle von Träumen und Sinneseingebungen, unser Glauben, Hoffen, ja unsere ganze Geschichte einen conventionell gewordenen, schon aus vorsündfluthlichen Zeiten stammenden Irrthum und in die Sinnenschranke bliebe ewigunser Geist gebannt, und was von uns, wenn die Erde unsern Leib wieder aufgenommen, einzig nicht verwese, das wäre der materielle Staub, die Asche, die zu neuer Erde würde und von neuen Bildungen der Natur neue irdische Gestaltung gewönne....
    Auf tausend Herzen lastet diese furchtbare Vorstellung wie der Druck der Verzweiflung. Das Leben, das sich ihnen doch eigentlich bei solchem Glauben an Reiz steigern sollte, verliert daran. Wenn unser Leben keinen Zweck mehr für uns selbst hat, wenn wir nur die Stufen eines über uns hinwegschreitenden Naturgesetzes sind, Asche und Staub für neue Bildungen, an denen das lebendige, volle, uns in diesem Augenblick so kräftig hebende Bewußtsein unserer selbst keinen Theil hätte, wenn das Erinnern verloren ginge, was soll uns da noch das Leben? Dann sind wir Gekerkerte, eingeschlossene Büßer einer unbekannten Schuld, dann ist die Sonne uns verfinstert, die Erde uns so dunkel wie das Grab.
    Aber schon hat sich die Naturwissenschaft selbst gegen die zu weit gehenden Schlußfolgerungen aus ihren Behauptungen erhoben. Sie hat zugestanden, daß sie nur die Theile in der Hand hat, nicht das geistige Band. Wie wird denn doch zuletzt aus einer Knospe Blüthe? Wie entsteht die bunte Farbe? Wie der Duft? Beschreibung– wahrlich! ist noch nicht Erklärung! Man mag Gesetze gefunden haben, aber der Geber derselben, die Notwendigkeit der Entwickelung vom Keime bis zur Blüthe, blieb verhüllt. Schon sind Magnetismus und Elektricität die Führer aus dem Reich der Materie in das des Geistes geworden. Noch sicherer geleitet uns die moralische Welt. Wie verirrte sich, fragen wir, der Begriff der moralischen Welt in die flimmernd rotirenden Bewegungen unserer Gehirnnerven? Und auch der Begriff des Guten wäre nur ein urweltlicher Pflanzenabdruck in dem weichen Brei unserer Vorstellungen?
    Nein, einstweilen wollen wir denken: Was die Gestirne sind, das wissen wir nicht! daß sie aber sind, das sehen wir. Hienieden scheint der einzelne Mensch an sich nichts, aber fehlen kann nicht der geringste, wenn die Menschheit im Ganzen gelten soll. Die Erde ist für den Menschen da, der Mensch nicht für die Erde. Noch weniger deckt den vollen Zweck der Menschheit der Zweck der Erde...
    Höher hinauf läßt sich die Gedankenleiter vielleicht nicht klimmen. Aber sie führt zu einer offenen Pforte. Will sich Jeder das, was er von der Schwelle derselben aus wahrzunehmen glaubt, nach seinem Bedürfniß ausmalen, so magst – du es thun mit den schon so scharfumrissenen, farbenprangenden Bildern deiner liebevollsten Sehnsucht – ich thue es mit den allerdings nur noch grauen Umrissen anderer Ahnungen und anderer Träume – aber im Glauben an ein Jenseits sind wir Eins.
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    Eine große Erhebung liegt in der Entdeckung, die man beim Studium des Culturgrades aller Völker macht, daß die Begriffe von dem, was allein dem Menschen seinen wahren Adel und Schmuck verleiht, zu allen Zeiten und unter allen Zonen dieselben gewesen sind, noch sind und auch wol ewig bleiben werden. Die Menschheit ist ein Baum, der mit millionenfachen Aesten gen Himmel strebt.

Weltlauf.
    Positives Glück gibt es auf Erden nicht. Irdisches Glück heißt – : Das Unglück besucht uns nicht zu regelmäßig.
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    Nichts wird in der Natur dir wahrhaft schön erscheinen, wenn dir nicht zugleich eine geistige Beleuchtung darauf fällt.
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    Wir träumen öfters das, was wir fürchten; seltner das, was wir hoffen. Das Glück aber, das uns im Traum bescheert wird, ist gewöhnlich eine jener lächerlichen Ueberraschungen mit Annehmlichkeiten, an welchewir am allerwenigsten noch gedacht hatten, oder die Erfüllung eines jener uralten Wünsche, die wir längst, längst schon zu den Todten legten.
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    Der Dichter sagt: »Was du in der Jugend begehrst, hast du im Alter die Fülle!« Meinte Goethe damit die süßen Schauer deiner ersten idealen Wünsche? Deine träumerischen Hoffnungen auf den Sieg und das Recht der wahren Menschengröße? Mit nichten – ! Er meinte, das Alter bringt dir solche Erfüllungen, die dich nicht mehr beglücken. Unter den hochgethürmten Aschenhügeln des Alters glimmt und glüht es von
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