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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss
Autoren: Karl Gutzkow
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Menschen fällt nicht zusammen mit dem Zweck dieser Erde.
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    Erhebe es dich, wenn du den Tempel der Natur betrittst, daß du überall das Streben nach Gesetz und Ordnung erblickst! Bunt und mannigfach sind die Erscheinungen, aber ein einiges Wesen ist es, dem jedes Blatt, jede Blume, jeder Ruf eines Thieres, jede todt liegende Steinmasse entgegen zu drängen scheint. Es ist Kunst der Naturbetrachtung und Folge der allmähligeren und reiferen Vertrautheit mit ihrem Leben, sofort den Blick auf die Einheit der Erscheinungen in ihrer Mannigfaltigkeit, auf das Dauernde im Wechsel zu richten. »Tretet ein, auch hier wohnen Götter!« sagte ein Spruch des Alterthums.
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    Ob die Welt nun doch bald allgemein glauben wird, daß all unser Denken und Wollen nur Fleisch und Blut, Sauerstoff, Phosphor, mit einem Worte Stoff ist, darüber sollten wir eigentlich nicht zu empfindlich werden. Wird es doch eben von der Menschheit in der unermeßlichen Fülle ihres Lebens, ihrer Handlungen, ihrer Meinungen und Gedanken nicht geglaubt. Es kann aber einen Mittelweg geben zwischen Verehrung vor den neuen Fortschritten der Naturwissenschaft und unbedingterAnhänglichkeit an die alten Meinungen: einen Mittelweg, der von keiner Halbheit kommt und zu keiner Halbheit führt, sondern von und zu der Ueberzeugung, daß zuletzt auch zur reinen Stoffgläubigkeit fast eben so viel – Idealismus gehört wie zur alten supernaturalen Geistgläubigkeit.
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    Vielen Beweisführungen der Kraft- und Stofflehre steht unser natürliches Bewußtsein gerade so gegenüber, wie wenn jemand unsere Bewegung läugnen wollte. Wir lassen ihn disputiren und – gehen eben. Der Weg von den Geheimnissen der Blutbereitung im Menschen bis zur Denkkraft eines Spinoza, von dem in einem trepanirten Frosch beobachteten Gehirnleben bis zu den großen enthusiastischen Thaten der Geschichte ist ein so weiter und gleicht so sehr den Milliarden von Meilen, die zwischen den Sternen liegen, daß man, ihm nachforschend, auf den Zwischenstationen bald ermüden würde und besser thut, sich an die beiden äußersten Pole, die alten Faktoren des Daseins, Materie und Geist, zu halten – mag allerdings auch in einem Totalbegriff, in der Idee Gottes, ihre Einheit liegen.
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    Gibt es ein Jenseits und sehen wir uns dereinst wieder? Was sagen Naturwissenschaft und Philosophie zu dem Glauben der Religion und zu den bunten, mit den Farben der Phantasie geschmückten Vorstellungen der Dichtkunst – ? Wer Jean Pauls »Selina« gelesen hat, der lebte wol schon als eine vom irdischen Stoff entfesselte Seele, vorgenießend, im Aetherreich einer jenseitigen Existenz. Die Mutter sieht da ihr Kind, das sie dem unerbittlichen Tode mit Verzweiflung preisgeben mußte, in den Auen der Seligen wieder. Herzen, die Jahre lang neben einander schlugen und des Lebens ernste Prüfungen bis zum Augenblick der unerbittlichen Naturnothwendigkeit treu überstanden, trennen sich nur auf kurze Zeit, um sich mit verklärten Leibern in einer schönern Welt ewiger Vereinigung wieder zu begrüßen. Der Freund findet den Freund, treue Kindesliebe findet die Eltern, Liebende, die mitten in der Rosenzeit ihrer Neigungen des Lebens schönste Blüthen von der Hippe des Todes hinweggeschnitten sehen mußten, feiern im Reich der Sphären, unter Jubelchören der Engelwelt, nach kurzer Trennung ein Wiedersehen...
    Schöner Glaube, dem immer ernster und ernster die Anfechtung der Wissenschaft droht. Was schon die Philosophie aller Zeiten gegen diese für eine Geisterwelt dieVorstellungen der sinnlichen entlehnenden Hoffnungen einwenden mußte und eingewendet hat, das ist der reiferen Bildung bekannt. Aber noch in größere Kreise hat sich seit dem Studium der Naturwissenschaften die Botschaft verbreitet, daß allen diesen Vorstellungen nur ein Wahn zum Grunde liegen solle. Und setzen wir die Naturwissenschaft selbst deßhalb nicht herab! Sie hat uns von Vorurtheilen befreit. Sie hat der Menschheit so vielfache Bedrängnisse genommen. Zürnen wir ihr nicht, wenn schon immer weiter die Vorstellung um sich greift, daß der Mensch wie alles Uebrige wäre, was da lebte, nur der Ueber- und der Durchgang eines nach Gestaltung ringenden höhern Naturgesetzes. Ja, sie lehrt, daß unser Geist der Flamme gliche, die für sich keine Selbstständigkeit hätte, wenn sie nicht auf und in einem brennbaren Stoffe loderte. Sie lehrt, daß unser Leben nur irgend einen uns unbekannten Zweck des allgemeinen einzigen Gottes, der Natur, erfüllt.
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