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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss
Autoren: Karl Gutzkow
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gegen sich selbst mit derselben rauhen Wahrhaftigkeit verfährt, die er gegen Andere übt?
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    Wir werden immer gut thun, Vorwürfe, die uns wie nur im Scherz gemacht wurden, getrost als im Ernst gemeint hinzunehmen.
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    Nur wenn wir die Offensive ergreifen, stehen wir in dem Kriege, den wir gegen unsere Leidenschaften führen, als Sieger da. Die Carrikatur dieser Wahrheit waren jene alten Mönche und Heilige, die, um der Sünde widerstehen zu können, diese unmittelbar aufsuchten und sie gleichsam zum Zweikampf herausforderten.
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    E. M. Arndt wollte den Dämon des Sokrates kurzweg als einen Engel im Geist der Bibel gefaßt sehen.Der Dämon des Sokrates war sein gegenständliches, von allen Rücksichten entblößtes »besseres Selbst,« sein Gewissen.
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    Wir erschrecken und erstaunen, wir ärgern oder wir freuen uns über viele Dinge nur deshalb, weil es hergebracht ist, über sie erschrecken, erstaunen, sich ärgern oder sich freuen zu sollen.
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    Der beste Freund, den ein großer Mann finden kann, ist der, der es übernimmt, seine Menschlichkeiten vor der Welt zu decken.
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    Ja, wie wir unsere Untugenden auszuschmücken verstehen! Wir machen aus ihnen sogar Charaktergröße. »Nein, ich kann nicht leiden, daß man sich Schmeicheleien ins Gesicht sagen soll!« Lieber Freund, für diesibirische Kälte und Lieblosigkeit deines Urtheils hast du dir einen glänzenden Namen gefunden.
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    »Ich bin natürlich – !« Bitte, du hast nur die Unart, alles auszusprechen, was dir über die Zunge läuft.
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    »Ich bin kein Egoist – !« Nein, aber du hast dir den Egoismus angewöhnt.
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    Wer immer wieder seine Wunden hartnäckig von selbst aufreißt, verräth, daß er sich vor ihrem allzu schnellen Vernarben nicht sicher glaubt.
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    Werde dir doch oft das Glück zutheil, daß du dich in einem edeln Motive oder einem nicht gewöhnlichen Charakterzuge, wovon du glaubtest, er wäre dein eigenestiefstes und nur Gott bekanntes Geheimniß, von irgend einem Herzenskündiger errathen siehst!
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    Für eine einzige Schuld legt sich ein edler Mensch eine zwanzigfache Strafe auf.
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    Es ist erstaunlich, wie viele Menschen es verstehen, sich mit wahrem Bienen- oder Bibertalent ihre kleinen, zerstreuten, unendlich weit auseinanderliegenden Verdienstchen zur Berechtigung eines Tempelchens auszubauen, in welchem sie sich einen Cultus der Verehrung zu errichten wissen, als existirte außer ihren eignen Leistungen nichts Anderes in der Welt. Sogar die Gemeinde, die jede Verehrung braucht, wissen sie sich mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit zu pressen.
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    Manche Wucherer glauben, sie wären keine, wenn sie sich innerhalb der sogleich anfangs von ihnen mitentschiedenster Niedertracht entworfenen Stipulationen außerordentlich streng und gewissenhaft bewegen.
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    Wir schwachen Menschen finden das nur des Erlangens werth, wornach wir Viele streben sehen – !
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    Hat man lange in der großen Welt gelebt, so wird man erstaunen, sich eingestehen zu müssen, welche Fortschritte wir ganz wider Willen in der Virtuosität der Unwahrheit gemacht haben. Man huldigt jeder Schwäche, nennt eitle Frauen schön, schmeichelt dem Ehrgeiz der Männer, duldet den Stümper, verschweigt seine Meinung dem Mächtigen. Anfangs war's vielleicht nur ein gewisser Humor, der uns so das Gesellschaftsleben nehmen ließ, das nun einmal, wie wir sagen, nicht zu ändern wäre, dann wurde es Gewohnheit, zuletzt Schwäche. Der Augenblick, wo wir uns, beschämt über eine solche Richtung unsres Innern, die Wahrhaftigkeit zu retten suchen, kann nur dann Erfolg haben, wenn wir zugleich die Kraft undden Muth besitzen, mit einer Gesellschaft, die solche Umgangsformen voraussetzt, für immer zu brechen.
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    Es ist unglaublich, welche Anstrengungen die Menschen machen, um ihren Mangel an Unternehmung und Muth zu verbergen. So mancher Knabe, der ganz einfach – wir geben dies zur Beherzigung für Erzieher – seine Schüchternheit nicht eingestehen will, gibt, seiner Verlegenheit den Schein des Trotzes, des Eigensinns, ja nicht selten der Roheit. Die Unbeholfenheit erfindet tausend Schleichwege, um hinter dem Zugeständnis; ihres wahren Schadens herumzukommen. Bald prahlt, bald spottet sie, bald wird sie zügellos, bald blasirt, ja sogar scheinbare Tugenden und Pseudo-Charakterbildungen entstehen aus dem einfachen, stillverborgenen Bewußtsein, sich im Leben und Umgang mit den Menschen nicht recht helfen zu können. Von einer großen
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