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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss
Autoren: Karl Gutzkow
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Bevölkerung, der Berlinischen und sogar der ganzen specifischpreußischen, ist es längst bekannt, daß im Grunde ihr so viel gerügtes, vorwitziges, auftrumpfendes Wesen nur ihren Ursprung hat an der Quelle eines tiefen Gefühls von Unzulänglichkeit und verlegener, sich natürlichfür die beanspruchte Stammesgröße nicht schickender Unerfahrenheit.
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    Die geheime Mischung von – Liebe und Interesse kann kein Scheidekünstler der Welt in ihre Urbestandtheile auflösen.
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    Es gibt eine Menge Naturen, deren erste und ursprüngliche Regung beim Urtheilen oder Handeln immer eine schlechte ist und die erst durch ein Zweites, durch die Reflexion, den Schein der Güte gewinnen. Wer wäre diesen heuchlerischen Phrasenmenschen nicht schon oft begegnet! Umgekehrte Fälle giebt es aber auch. Rousseau hat von seinem Feinde Voltaire gesagt, daß bei ihm die erste Empfindung immer eine gute gewesen wäre und ihm erst durch Reflexion hintennach die schlechte kam.
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    Da wo man Recht hat, fängt die Selbstbeherrschung des Edeln an.
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    Nichts erkräftigt und hebt mehr den Geist, als eine unterlassene Rache.
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    Kaum glaublich und doch bewiesen, daß Neid und Prahlerei zusammengehen. Es ist, als wenn der künstliche Ueberschuß des Erlogenen beim Prahlen die Negative im Gefühl des Neides decken muß und umgekehrt die Lücke im Selbstgefühl, die zum Neide drängt, sich erst wieder füllt durch Prahlerei. Daher die seltsame Erscheinung, daß ruhmgekrönte Menschen, die den Neid gar nicht nöthig hätten, dennoch neidisch sind. Sie sind eben nebenbei Prahler.
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    Ein Prahler fühlt sich arm. Er kommt immer auf sich und seine eigenen Leistungen zurück.
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    Die meisten unserer Fehler erkennen und legen wir erst dann ab, wenn wir sie an Andern entdeckt haben und gesehen, wie sie denen stehen.
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    Menschen, die berechtigt sind, eine höhere Werthschätzung beanspruchen zu dürfen, als wir uns, manchmal sogar aus bloßer Trägheit nur, die Mühe geben wollen, ihnen einzuräumen, wirken auf uns wie Gewissensbisse. Um endlich des nagenden innern Vorwurfs, den sie uns verursachen, ledig zu werden, helfen wir uns gewöhnlich einfach damit, ihren Werth ohne weiters ganz in Abrede zu stellen.
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    Man webt keine kunstvolleren Spitzen, als sich deren an den Schleiern finden, mit denen wir unsere geheimen Wünsche und Interessen zu verhüllen wissen.
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    Bedeutende, aber eitle Menschen, denen anerkannt zu werden ein nie genug zu befriedigendes Bedürfniß ist, machen unter anderm auch ein übertriebenes Aufsehen vondurchaus gewöhnlichen Individuen, mit denen sie der Zufall in nähere, selbstverständlich ihnen huldigende Beziehung brachte. Sie scheinen zu fühlen, daß nicht jede Anerkennung ihrer würdig ist.
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    Wem es nicht ein Bedürfnis geworden ist, glücklich zu sein, der wird es niemals werden.
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    Berührt uns in nächster Nähe etwas unangenehm, so mögen wir uns nur fragen, ob unsere Stellung im Großen und Ganzen dadurch alterirt wird. Dürfen wir dies verneinen, so sollten wir uns doch erleichtert fühlen.
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    Der höhere Werth des Menschen entscheidet sich darnach, ob er noch für diese Erde Hoffnungen hat, die über sein Grab hinausgehen.
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    Wir sollten uns nicht nach dem beurtheilen, was wir uns selbst zu sein scheinen, sondern nach dem, was wir im Ring des Allgemeinen und im Großen, im Ganzen sind. Die Kunst, abgezogen von unserm Ich, unser Dasein so zu betrachten, wie es sich dem Allgemeinen ergibt, gleicht dem feinen Ohr eines Vortragenden, der im Stande ist, sofort die Wirkung seiner Stimme mit den Räumlichkeiten, wo er spricht, und mit den Nerven derer, die zuhören, in einen wohlthuenden Einklang zu bringen.
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    Wahrhaft ist doch nur das ein Glück, das sich mit Andern theilen läßt.
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    Oft weißt du es vollkommen, daß du diesen oder jenen Fehler, diese oder jene Ungerechtigkeit begangen hast. Statt aber jenen zu bereuen oder diese wieder gut zu machen, verhärtest du dich vielmehr vollends gegen dein besseres Gefühl und trotzest nun erst recht darauf, sofortzufahren, wie begonnen. Du nennst dir das Kraft und Charakter!
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    Wirst du angeschuldigt, so rechtfertige dich, wenn du voraussetzen darfst, daß deine Richter edel sind! Aber einen Feind wirst du niemals überzeugen. Gegen einen Feind nützt es sogar, ihm so hassenswürdig wie möglich zu erscheinen. Von all den eingebildeten Gründen seines Grimms wird er der Welt einen allmählig nur lächerlichen Eindruck machen und am
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