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Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot
Autoren: Tommy Jaud
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Glückwunsch zum Geburtstag, du Bekloppter!«, flüstert sie mir ins Ohr. Ihre Stimme flattert ganz komisch, während sie das sagt. Auf mein Handy prasseln inzwischen die Kurzmitteilungen ein.
    Pieppiep, pieppiep, pieppiep, pieppiep ...
    Gedankenfetzen wirbeln, mein Puls rast, und was mein Magen macht, ist auch nicht so angenehm. »Dreißig!«, stöhne ich und lasse Paula los, um mich wieder auf meinen Küchenstuhl gleiten zu lassen.
    »Dreißig!«, nickt Paula und setzt sich ebenfalls.
    Ich greife noch mal nach meinem Handy und sehe 14 Anrufe in Abwesenheit. Kurzmitteilungen habe ich über zwanzig. Ich klicke in eine von Lala: Soll ich sauber machen morgen? Gehst du nicht ans Telefon. Alles Gute zu Geburtstag auch! Lala.
    Ich stelle mir Lala vor, wie sie eine riesige Geburtstagstorte anhebt, um darunter zu saugen. Paula unterbricht diesen nutzlosen Gedanken.
    »Wir haben uns echt Sorgen gemacht, Simon! Flik und ich und ... Phil auch, wir haben ... na ja, wir haben schon das Schlimmste vermutet!«
    »Dass ich bei vodafone anfange?«
    »Idiot! Du weißt schon ...!«
    »Dass ich mich vor 'ne Bahn werfe? Keine Sorge. Nur, weil ich meinen Job los bin, ums Verrecken keine Frau finde und mir das Finanzamt bald den Stuhl unterm Arsch wegpfändet, nehm ich mir doch nicht gleich das Leben!«
    »Gut!«
    Ich zünde mir eine Zigarette an und nehme einen tiefen Zug.
    »Was sollte denn eigentlich diese Keine-Überraschung-Kurzmitteilung? Flik und Phil haben sich auch gewundert.«
    »Das war eine Warnung!«, sage ich
    »Natürlich«, nickt Paula verständnisvoll. Ich bin froh, dass wenigstens Paula mich noch versteht. Ich will aufstehen, doch irgendwie fühle ich mich schwach und energielos, so wie die beknackten Hasen in dem 80er-Jahre-Duracell-Spot, die auf den letzten Metern schlappmachen, weil sie sich irgendeine Scheiß-Batterie in den Bauch haben klemmen lassen. Mit meiner linken Hand streife ich über meinen Bauch. Vielleicht hab ich ja auch so 'ne Scheiß-Batterie? Dann fällt mir mein Geburtstag wieder ein.
    »Dreißig!«, sage ich.
    »Jetzt komm, es gibt Schlimmeres!«, versucht Paula zu trösten.
    »Ach ja? Was denn?«
    »Vierzig! «
    »Ich lach mich tot!«
    Ein Luftzug geht durch die Küche, und die Wohnungstür schlägt gegen die Wand. Wie in Zeitlupe stehe ich auf, um sie zu schließen. Ich fühle mich immer noch matt. Kann mir nicht irgendjemand so eine Duracell in den Bauch klemmen? Die Tür lässt sich nicht schließen, weil das Schloss herausgebrochen wurde. Weltklasse! Ich drücke sie zu, so weit es geht, und werfe ein paar von meinen schwereren Schuhen davor, damit sie nicht wieder aufspringt. Dann gehe ich wieder in die Küche und werfe einen prüfenden Blick in den Ofen. Das Schlemmerfilet ist knusprig braun und fertig zum Aufessen. Schade, dass ich gar keinen Hunger mehr habe.
    »Fertig!«, sage ich monoton, klappe den Ofen auf und ziehe mir meinen gelben Bart-Simpson-Hitzehandschuh über, um meinen Fertigfisch zu entnehmen. Paula sitzt regungslos auf ihrem Stuhl und beobachtet, was ich mache. Offenbar wirke ich auf sie tatsächlich wie ein Alien. Ein weißer, dünner Alien mit einer Scheiß-Batterie im Bauch ...
    »Wir haben dir ein Geschenk mitgebracht!«, sagt Paula und hält den bunten Karton hoch. Ich lasse die heiße Aluschale auf meinen Teller gleiten und ziehe den Handschuh aus.
    »Für mich?«
    »Ja klar für dich! Von Flik, Phil und mir!«
    »Ihr schenkt mir was?«
    »Du hast Geburtstag. Und wir sind deine Freunde. Und Geburtstag plus Freunde ist gleich Geschenk, meistens jedenfalls!« Das macht Sinn. Also nehme ich das schuhkartongroße Etwas und setze mich. Ich reiße die Verpackung weg und klappe den Deckel auf. Drin liegt ein dünnes weißes Papier, in das irgendein blauer Stoff eingewickelt ist. Der Stoff ist ein Schalke-Trikot. Ich drehe es rum. Unter der Nummer 30 steht statt eines Namens VOLLIDIOT.
    »Das war Fliks Idee!«, rechtfertigt sich Paula, und weil ich schaue wie eine Schildkröte vor einer ICE-Trasse, ergänzt sie: »Ich glaube, er hat's als Friedensangebot gemeint. «
    »Danke!«, sage ich und lege das Trikot weg. »Ein wirklich schönes Geschenk ist das!«
    »Siehste mal!«, sagt Paula und tippt mit ihrem Finger gegen meine Schlemmerfiletkruste.
    »Meins!«, sage ich und ziehe das Essen noch näher zu mir.
    Dann pikse ich ein paar Löcher in die Kruste, damit der Dampf rauskann.
    »Bin ich denn ein Vollidiot?«, frage ich leise.
    »Um ehrlich zu sein: in der letzten Zeit
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