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Vollidiot

Vollidiot

Titel: Vollidiot
Autoren: Tommy Jaud
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ich sollte echt aufhören, so laut zu denken, wenn ich besoffen bin.
    »Nix! «
    Oh! Wir sind bei mir!
    Phil tastet die Unterseite meiner Couch ab und zieht stolz ein kleines Plastiktütchen raus, was offenbar mit einem Klebeband daran befestigt war.
    »Haste Papier?«
    »Am Altpapier-Container.«
    »Arschloch! «
    »Selber!«
    Das Praktische an Phil ist, dass man sich um nix kümmern muss, wenn er zu Besuch ist. Er weiß, wo alles steht, nimmt sich, was er will, und nervt nicht lange mit irgendwelchem Höflichkeitsmist. Die beiden Mädels schlürfen inzwischen an einem Dreißig-Euro-Champagner, den ich nicht rechtzeitig vor Phil versteckt habe. Auch meine CD-Sammlung ist außen vor, weil Mr. Ich-glaub-heute-Abend-geht-was seine eigene, illegal gesaugte Trancekacke eingelegt hat und sich einen Dreck um die Nachbarn kümmert, was die Lautstärke angeht. Im Bayerischen Fernsehen kommt Spacenight, meine Lieblingssendung, weil sie die extra für Leute produziert haben, die um die Zeit dermaßen die Lampe an haben, dass sie nur noch Dinge wahrnehmen, die so groß sind wie ganze Kontinente. Kommt gut auf meinem riesigen Flachbildschirm.
    »Sag mal, wie kannste dir das denn alles leisten, so als T-Punkt-Angestellter?« Katja steht mit ihrem Moet & Chandon in der Mitte des Raumes und scannt die Preise meiner Einrichtungsgegenstände inklusive Plasmafernseher.
    »Sagt dir der Begriff Konsumschulden irgendetwas?«
    »Konsumschulden? Das ist hier alles auf Pump, oder was ?«
    »Klar! Alles, was du hier siehst! Mir gehört quasi nix! Den Plasmafernseher zum Beispiel, den zahl ich noch vier Jahre ab, wenn ich's überhaupt schaffe. Wahrscheinlicher ist, dass sie mir noch heute Nacht die Couch unterm Arsch wegpfänden! «
    »So ein Quatsch!«, lacht Pulp-Katja und nimmt einen Schluck Champagner.
    »Wenn ich's dir doch sage!«
    Es hat doch tatsächlich schon wieder geklappt. Ich sollte ein Buch schreiben und reich werden: Full Frontal Truth — Lügen mit der Wahrheit. Sensationelle Rhetoriktipps von Dr. Simon Peters.
    Die russische Raumstation schwebt gerade an Europa vorbei, als Phil mein Sorgenbuch auf meinem neuen Single-Sessel entdeckt und es hämisch grinsend präsentiert.
    »Sorge dich nicht, lebe? Von Dale Carnegie?«
    Verdammt! Ich dachte, ich hätte das Ding weggeräumt. Peinlich, vor allem wegen meiner persönlichen Einträge. Irgendwo beim Thema »Mittelfristige Ziele« steht, glaube ich, sogar »Phil mal so richtig die Fresse polieren«.
    »Da schauen wir doch mal rein!«, freut sich ebendieser.
    Ich springe auf und entreiße ihm das Buch, kurz bevor er's aufschlagen kann. »Da schauen wir NICHT rein! Das lässt du schön da liegen, du Penner!« So weit käme es noch.
    »Über was machste dir denn Sorgen, Simon?«
    »Dass du's nicht überlebst, wenn ich dich gleich verdresche!«
    »Okay ... schon verstanden. Keine Fragen mehr! Der Sessel ist nicht schlecht, übrigens, haste neu?«
    »30 C«, sage ich.
    »Wie? 30 C?«, fragt Phil.
    »Der stand im Regal 30 C. Im Ikea-Mitnahmelager. Von da muss man den selber abholen!« Phil nimmt einen Schluck Champagner aus der Flasche und reicht sie zu seiner Schnecke weiter. »Was merkst du dir denn so 'n Scheiß überhaupt? Die Regalnummer hätte ich längst wieder vergessen!«
    »Leck mich!«
    Phil winkt mit großer Geste ab, die man nur macht, wenn man entweder Stummfilmschauspieler ist oder besoffen und breit. Oder aber ein besoffener Stummfilmschauspieler. Ich bekomme den Joint gereicht und nehme trotzig einen viel zu tiefen ersten Zug. Dann renne ich hustend aufs Klo. Und wo ich schon mal da bin, lasse ich mir bei der Gelegenheit auch gleich noch den gesamten Abend durch den Kopf gehen.
    Als ich wieder halbwegs klar bin, putze ich das Klo und meine Zähne und werfe einen schielenden Blick in den Spiegel. Hut ab, ich seh ganz schön scheiße aus. Ich knipse das Licht aus und schleiche zurück ins Wohnzimmer. Im Fernsehen zeigen sie, wie die Kosmonauten an Bord der MIR einen riesigen, schwerelosen Wodkatropfen mit dem Mund fangen und dazu blöd in die Kamera winken. Ich mag keine Russen, und wenn sie noch so schwerelos sind. Schweden find ich gut. Oder Spanier. Komisch. Eigentlich finde ich alle S-Länder klasse.
    Phil hat sich inzwischen mit dem kraushaarigen Schneckenmädchen auf den Boden gesetzt und haucht ihr giggelnd irgendwelchen Mist ins Ohr. Mein Luftfahrthase starrt mit halb geöffneten Augen auf die Kosmonauten und nickt lediglich, als ich den Raum betrete. Ich muss mich
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