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Voellig durchgeknallt

Voellig durchgeknallt

Titel: Voellig durchgeknallt
Autoren: Ally Kennen
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meinem schlabbrigen Kapuzenshirt. Das ist wahrscheinlich gar nicht nötig, denn Oma ist halb blind und zu eitel, um eine Brille zu tragen, und Mum würde nicht mal mitkriegen, wenn ich plötzlich nur noch einen Arm hätte.
    |19| Der Küchenschrank steht offen und ich peile eine rotweiße Kekspackung an.
    »Schön, dass du dich heute auch noch mal blicken lässt, junger Mann«, begrüßt mich Oma, nimmt die Schürze ab und faltet sie zusammen.
    Ich brummle irgendwas. Ich hol mir jetzt diese Kekse!
    »Das sind die reinsten Langfingertaschen«, sagt Oma mit einem Blick auf mein Kapuzenshirt. Sie tritt einen Schritt auf mich zu. »Und du siehst aus, als ob du was zu verbergen hast.«
    Wo sie recht hat, hat sie recht.
    »Ach, lass ihn doch in Ruhe.« Mum lehnt an der Spüle, lutscht Zitronenbonbons und kratzt angebrannte Pommes vom Blech.
    »Solang er seine Füße unter meinen Tisch streckt, denk ich nicht dran, ihn in Ruhe zu lassen«, erwidert Oma.
    Sie riecht aus dem Mund, und mir wird übel und schwindlig. Was wahrscheinlich davon kommt, dass ich eine ganze Menge Blut verloren habe.
    »Mecker nicht immer an meinen Klamotten rum«, sage ich, »in meinem Alter ist man da empfindlich.«
    Oma beugt sich vor.
    »Was führst du im Schilde, Junge?«
    Ich werfe meiner Mum einen flehenden Blick zu, und sie kommt mir zu Hilfe und knallt das Blech in die Spüle.
    »Wenn du noch ein Mal Mist baust, fliegst du raus, hast du mich verstanden?«, verkündet Oma.
    Ich verdrehe die Augen.
    »OB DU MICH VERSTANDEN HAST?«
    |20| »Ja, Oma, die ganze Siedlung hat dich verstanden.«
    »Frecher Bengel«, schimpft Oma und verpasst mir eine Kopfnuss. Dafür, dass sie schon über sechzig ist, kann sie ganz schön hinlangen. Am liebsten hätte ich beide Arme um den Kopf gelegt, aber wie man leicht nachvollziehen kann, hebe ich nur einen Arm.
    »Das ist Kindesmisshandlung!«
    »Solche wie du brauchen eine feste Hand.« Oma wirft meiner Mutter einen fiesen Blick zu.
    Ich nutze die kleine Unterbrechung, schnappe mir die Kekse und verschwinde.
    Oma würde mich nie im Leben rausschmeißen. Glaub ich jedenfalls. Schließlich hat sie mich vor vier Jahren endlich aus der Fürsorge rausgepaukt. Sie will mich bei sich haben. Sie hat mich lieb. Als ich letzten Winter beim Klauen geschnappt wurde, hat sie mich auch nicht vor die Tür gesetzt. Und als ich dieses Frühjahr dabei erwischt worden bin, dass ich mich von der Kanalbrücke abgeseilt hab, hat sie gesagt: »Das ist das letzte Mal, dass ich ein Auge zudrücke, Bürschchen!« Vor drei Wochen haben die Bullen wegen dem abgefackelten Toyota eine Straße weiter bei uns geklingelt, und Oma hat sie schneller abgewimmelt, als Devil einem den Finger abhackt.
    Ach richtig, mein Finger.
    Soll ich vielleicht doch in die Notaufnahme gehen? Ich weiß nicht. Ich bin jemand, der lieber nicht auffällt. Im Krankenhaus stellen die einem garantiert jede Menge Fragen. Womöglich kommt der Vorfall in meine Akte, dann können mich die Bullen den Rest meines Lebens jederzeit |21| identifizieren, wie so ’nen tätowierten Vollidioten. Aber mein Finger tut immer noch weh, und ich hab Schiss, dass ich vielleicht ’ne Blutvergiftung kriege oder so was. Womöglich muss der ganze Arm amputiert werden!
    Aber egal, ich muss mir über ganz andere Sachen Gedanken machen, zum Beispiel über das nächste Ding, das ich mit Devil angehen will. Das muss noch fetter werden als das davor! Der Termin steht schon fest: nächsten Montag. Bis dahin bin ich einen ganzen Monat lang jeden Tag zur Schule gegangen, da wird’s mal wieder Zeit, dass ich mir freinehme.
    Schule. Kannste vergessen.
    Es ist grade eben acht, in der Glotze läuft nichts Spannendes, und ich liege auf dem Bett und betrachte den ekligen Hautlappen an der Stelle, wo mal mein Finger war, als jemand klopft.
    »Was treibst du da drin?«, zetert Oma.
    »Meine Sache, Oma. Männer haben so ihre Bedürfnisse.«
    »Du kannst sofort deinen Kram packen!«, blafft sie. »In meinem Haus dulde ich kein unanständiges Gerede. Morgen früh bist du weg, kapiert?«
    »Alles klar, Oma.«
    Sie grummelt vor sich hin und will wieder abrauschen.
    »Oma?«, rufe ich.
    »Was?«
    »Wieso bist du hochgekommen?«
    Sie muss erst überlegen. Dann geht die Türklinke langsam runter, wie in einem Horrorfilm.
    |22| »Wieso hast du abgeschlossen, Chas?«
    »Hab ich doch gesagt, Oma.«
    »Ach so.« Sie lässt die Zunge gegen ihre dritten Zähne schnalzen und ich höre, wie es raschelt und wie ihr altes
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